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Leuchtschrift: Meet me for Coffee auf braunem Hintergrund

Auf einen kurzen Kaffee mit ...

Christine Stender M.A., Diversity-Beauftragte des Instituts für Kunstgeschichte

Geboren 1991 in Düsseldorf ist Christine Stender seit 2019 wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf und forscht zu kultureller Teilhabe, Kulturvermittlung und digitaler Kunstvermittlung. Ihr Promotionsvorhaben, das Methoden der Citizen Science zur Analyse des Kulturnutzungsverhaltens von Menschen mit wenig oder keinem Einkommen nutzt, wird von der BürgerUniversität Düsseldorf gefördert. Neben ihrer Lehrtätigkeit ist sie auch stellvertretende Gleichstellungsbeauftragte der Philosophischen Fakultät und Diversity-Beauftragte des Instituts für Kunstgeschichte.

Vor Antritt der Promotionsstelle studierte sie zunächst International Marketing in den Niederlanden, erhielt ihren ersten Masterabschluss in Arts Management in Bath, GB und schloss ein zweites Masterstudium zu Kunstvermittlung und Kulturmanagement an der HHU Düsseldorf an. Ergänzend zu ihrer akademischen Laufbahn ist sie seit 2017 im Vorstand der gemeinnützigen Vereine Kulturliste Düsseldorf und der Bundesvereinigung kulturelle Teilhabe (seit 2021).

Und sie trinkt gerne einen schwarzen Tee mit Milch, Zucker! :-)

Die Position gab es schon „vor meiner Zeit“, also bevor ich als Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut angefangen habe, und wurde von unserem Mittelbau ins Leben gerufen. Das besondere Bewusstsein am Institut für Diversitätsthemen ist auch durch die Kunstgeschichte selbst geprägt. Die kritische Frage danach, welche Künstler*innen in den „Kanon“ aufgenommen und in Museen gezeigt werden, stellen Künstler*innen ebenso wie Kunsthistoriker*innen. So hat das Hinterfragen des „westlichen, männlichen und weißen Künstlergenies“ dazu geführt, dass wir uns nicht nur damit auseinandersetzen, wie und über wen wir lehren, sondern auch wie wir selbst Diversität am Institut leben. Und die Schaffung einer Ansprechperson für das Thema Diversity schien ein guter erster Schritt.

Der erste große Unterschied ist, dass die Koordinierungsstelle sich dezidiert nur mit den Thematiken rund um Diversity auseinandersetzt und dafür Ressourcen und ein Netzwerk hat, das über den gesamten Campus spannt. Da ich die Position bei uns am Institut als Teil meiner sonstigen Aufgaben als WiMi erfülle, habe ich natürlich nicht so viel Ressourcen, aber freue mich Teil des Netzwerks der Koordinierungsstelle zu sein. Sei es durch die Teilnahme an den Vernetzungstreffen, den direkten Austausch mit den Kolleg*innen oder die Hilfestellung, die ich Studierenden & Kolleg*innen vom Institut geben kann, in dem ich mit ihnen gemeinsam herausfinde, wer in welchen Fällen weiterhelfen kann.

Bedenkt man, dass unsere aktuelle Dekanin, Univ.-Prof. Dr. Ulli Seegers, erst die dritte Frau auf diesem Posten seit Gründung der Universität ist, findet sich schon das erste Beispiel, an dem deutlich wird, dass es immer noch ein Ungleichgewicht in Sachen Diversität gibt. Aber gleichzeitig sehe ich Chancengerechtigkeit nicht als Problem, dass von einem einzelnen Studiengang, einem Institut, einer Fakultät oder sogar einer einzelnen Universität gelöst werden kann – es ist eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung, zu deren Überwindung auf all diesen Ebenen beigetragen werden kann, in dem Bewusstsein für Fehlstellungen geschaffen und daran gearbeitet wird, diese zu verändern.

Oft sind Barrieren, die potenziellen Studierenden aus marginalisierten Gruppen im Weg stehen, schon vor der Bewerbung in unserem Masterstudiengang präsent. So bestätigen Studien immer wieder, dass der Bildungsgrad der Eltern auch heute noch einen großen Einfluss darauf hat, ob Menschen ein Studium aufnehmen werden oder nicht. Damit ist es unser Ziel, ein Bewusstsein für Chancenungleichheit zu entwickeln, um denjenigen Studierenden, die den Master Kunstvermittlung und Kulturmanagement beginnen, nicht noch mehr „Steine in den Weg zu legen“. So haben wir uns bei der letzten Anpassung der PO dafür entschieden, die Anerkennungsmöglichkeiten von Pflichtpraktika so anzupassen, dass sie das Ziel der Berufserfahrung und Vernetzung natürlich immer noch erfüllen, aber besser mit der Lebensrealität der Studierenden vereinbar sind.

Oft hilft hier schon die klare Kommunikation von Anlaufstellen und Unterstützungsmöglichkeiten, wie den Frauenförderstipendien der Gleichstellungsbeauftragten der Fakultät. Dort gibt es zum Beispiel „Abschlussstipendien und Zuschüsse zum Semesterbeitrag für Studentinnen, die in schwierigen Lebenslagen studieren z.B. in Folge von Behinderung bzw. chronischer Erkrankung, Mutterschaft, Schwangerschaft oder Pflege von Angehörigen.“

Auf der Mikro-Ebene sind es auch einfach Entscheidungen innerhalb des eigenen Lehrangebots, die einen Beitrag zu mehr Diversität leisten können, in dem bei Themen wie Kunstvermittlung auch über Barrierefreiheit gesprochen wird oder ich bei der Auswahl von Literatur für die Studierenden darauf achte, ob auch die Autor*innen diverse Hintergründe haben und damit mehr Perspektiven abbilden.

Grundsätzlich ist es essenziell, bei keiner dieser Entscheidungen über die Köpfe von Menschen hinweg zu sprechen, deren Lebensrealität ich nicht teile. Die Forderung von Betroffenenverbänden „Sprecht mit uns, nicht über uns“ gibt es schließlich nicht ohne Grund und auch wenn ich mir alle Mühe gebe – als weiße Cis-Frau aus einem Akademikerhaushalt bin ich mir darüber im Klaren, dass es sehr viele Dinge gibt, bei denen nicht meine Meinung zählt, sondern es mein Beitrag sein muss, Menschen „Platz auf der Bühne“ einzuräumen.

Schlüsselpersonen würde ich hier auf mehreren Ebenen denken – die Diversity-Koordinierungsstelle und auch das HCSD setzen sich für mehr Chancengerechtigkeit auf dem Campus ein und versuchen Netzwerk und Anlaufstelle zu sein. Damit würde ich diese beiden Stellen als wichtige Player sehen, die ihre Arbeit aber nur in Abstimmung mit so vielen anderen Akteur*innen an der Uni zielführend umsetzen können. Und damit sind die anderen Schlüsselpersonen, all diejenigen Menschen gemeint, die sich aus ihrer eigenen Perspektive heraus für Vielfalt und Gerechtigkeit einsetzen, von der Beratungsstelle für Studierende mit Behinderung oder chronischer Erkrankung (BBSt) über die vielfältigsten Referate des AStA bis hin zu Studierenden oder Kolleg*innen, deren Zugangsmöglichkeiten auf Grund nicht inklusiver Strukturen eingeschränkt sind.

Um zum Punkt zu kommen – ja, ich habe Ansprechpersonen, an die ich mich mit Fragen und für Unterstützung wenden kann, aber sehe die wichtigere Aufgabe darin, Chancengerechtigkeit zu unterstützen.

In der Kunstvermittlung gibt es ein Modell (nach Carmen Mörsch, s. hier), das fünf Funktionen von (Wissens-)Vermittlung unterscheidet, und das auch hier gut passt:

Die ersten beiden Funktionen von Vermittlung sind „affirmativ“ und „reproduktiv“, dort wird ein bestehender Wissenskanon hierarchisch weitergegeben, ohne ihn zu hinterfragen. Eine Person hat das Wissen und gibt es monologisch an andere Menschen weiter. Auf Ebene der „dekonstruktiven“ Funktion sollen die Teilnehmenden animiert werden, gemeinsam mit der Vermittler*in die Informationen kritisch zu hinterfragen. Die Institution, also das Museum, entscheidet sich also dafür, kritische Räume zu erlauben und hier liegt auch die Kritik an dieser Funktion: Oft bleibt sie performativ und durch die Kritik wird keine wirkliche Veränderung angestoßen. Wenn durch neue Perspektiven, die im Kontext kritischer Vermittlung gewonnen wurden, wirklich Veränderungen im Museum stattfinden, wird von einer „reformativen“ Funktion gesprochen.

Gibt die Institution final all ihre Entscheidungsmacht ab und öffnet ihre Räume für externe Gruppen, die das Museum mit eigenen Konzepten bespielen, dann wird von einer „transformativen“ Funktion gesprochen.

Wenn wir hier Museum durch Universität und Teilnehmende durch Studierende ersetzen, überlasse ich den Lesenden die verschiedenen Formate von Lehrveranstaltungen und verschiedenen Lehr-Stile den genannten Funktionen zuzuordnen. Ein kritisches Umgehen mit den eigenen Lehrinhalten und ein Reagieren auf die Wünsche der Studierenden ist für mich nicht nur aus Diversitätsaspekten wichtig, sondern weil ich mit den Studierenden gemeinsam lerne und meine Perspektive schnell auch zum „Tunnelblick“ werden kann.

Ich kann verstehen, dass Veränderung oft mit Stress und Widerwillen begegnet wird, aber muss ehrlich sagen, dass ich nicht verstehen kann, warum Menschen beim „Gender-Thema“ (und auch bei Debatten um das N-Wort oder Z-Wort) so sehr auf „ihrem Recht“ beruhen. Für mich ist es ganz einfach: Verletze ich durch mein Handeln/ meine Worte Menschen? Falls ja: Kann ich mein Handeln / meine Worte verändern, ohne dass es mich verletzt oder mein Leben direkt negativ beeinflusst? Falls, ja: dann verändere ich das, weil mir wichtig ist, dass Menschen nicht wegen mir verletzt und traurig sind. Fertig.

Auf die Gefahr hin, dass ich mich während der Beantwortung der Fragen in Rage geredet/ geschrieben habe: Es ist zwar natürlich wichtig, auch Ressourcen für „Überzeugungsarbeit“ zu investieren und Menschen zum Austausch einzuladen, aber solange die Ressourcen so eingeschränkt sind, wie sie es nun mal sind, würde ich immer eher dazu tendieren, Zeit, Geld und Mittel dafür zu verwenden, Barrieren abzubauen, so dass Menschen mit weniger strukturellen Hürden zu kämpfen haben.

Durch Neugier und ein kritisches Bewusstsein für das eigene Verhalten.

Neue Perspektiven, auf die ich selbst nicht gekommen wäre/ nicht kommen kann, und Austausch mit unterschiedlichsten Menschen auf dem Campus.


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Autorin: Andrea Rosicki

Verantwortlichkeit: