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Dr. Tobias Ebbrecht-Hartmann am Rednerpult.

Antisemitismusprävention im europäischen Schulunterricht. Forschungsergebnisse und Empfehlungen.

Tagungsbericht, Düsseldorf 15. bis 17. Mai 2025

Das Verbundprojekt „Antisemitismusprävention im europäischen Schulunterricht (AIES)“ stellte nach vierjähriger Förderphase durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) seine Forschungsergebnisse auf der Abschlusstagung vom 15. bis 17. Mai 2025 in Düsseldorf vor. Im Mittelpunkt standen die Präsentationen der in den drei Teilprojekten unter Leitung von Prof. Dr. Ursula Hennigfeld (Deutschland-Frankreich, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf), Prof. Dr. Marco Th. Bosshard (Deutschland-Spanien, Europa-Universität Flensburg) und Prof. Dr. Iulia-Karin Patrut (Deutschland-Rumänien, Europa-Universität Flensburg) gestalteten digitalen Lehrmaterialien.

Grußworte zum Tagungsauftakt im Heine Literaturhaus sprachen Dorothee Feller (Ministerin für Schule und Bildung Nordrhein-Westfalen), Sylvia Löhrmann (Beauftragte des Landes Nordrhein-Westfalen für die Bekämpfung des Antisemitismus, für jüdisches Leben und Erinnerungskultur), Dr. Oded Horowitz (Vorstandsvorsitzender der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf), Prof. Dr. Ulli Seegers (Dekanin der Philosophischen Fakultät der HHU Düsseldorf) sowie Prof. Dr. Ursula Hennigfeld (Lehrstuhlinhaberin am Institut für Romanistik der HHU Düsseldorf und wissenschaftliche Leiterin der Abschlusstagung). Im anschließenden Abendvortrag „Create against Hate: Antisemitismus, Geschichtsvermittlung und Empowerment auf TikTok und Instagram“ präsentierte Prof. Dr. Tobias Ebbrecht-Hartmann (Hebräische Universität Jerusalem) Beispiele für antisemitismuspräventives Engagement von Shoah-Überlebenden, Influencern und Gedenkstätten in den sozialen Netzwerken.

Die Fächer Politik und Geschichte bildeten die thematischen Schwerpunkte am zweiten Tag der Abschlusstagung im Haus der Universität. Zunächst erläuterte Prof. Dr. Heiko Beyer (Institut für Sozialwissenschaften, HHU Düsseldorf) in seinem Vortrag „Antisemitismus als ‘Sozialismus der dummen Kerle’? Bei wem die Bildung wie gut vor antisemitischen Einstellungen schützt“ die Befunde der in Nordrhein-Westfalen durchgeführte Studie mit Blick auf die Verbreitung antisemitischer Einstellungen. Beyer konstatierte, dass Antisemitismus im Allgemeinen bei Menschen mit höherem Bildungsgrad weniger präsent ist, antisemitismuspräventive Aufklärungsarbeit jedoch bei Gebildeten mit antisemitischen Überzeugungen weniger fruchtet oder gar die vorhandenen Einstellungen verstärkt.

Formen des Antisemitismus und ihre Entwicklung, die Erinnerungskultur der Shoah und die Vielfalt jüdischen Lebens im heutigen Deutschland standen im Fokus der von Prof. Dr. Kay Peter Jankrift (HHU Düsseldorf) vorgestellten drei digitalen Unterrichtseinheiten für das Fach Politik. Hieran knüpften Prof. Dr. Marco Th. Bosshard und Erduin Pérez de la Vega (Europa-Universität Flensburg) mit ihrer Präsentation der digitalen Lehrmaterialien für das Fach Geschichte in Deutschland an. Unter Verwendung der sogenannten Mystery-Methode basieren diese Unterrichtseinheiten auf den Zeugnissen der Shoah-Überlebenden Siegfried Meir und Emmie Arbel. Die von Dr. Benjamin Inal und Dr. Fernando García Naharro (Europa-Universität Flensburg) präsentierten Unterrichtseinheiten für das Fach Geschichte in Spanien nehmen nach gleicher didaktischer Methode 1. die Vertreibung der Jüdinnen und Juden aus Spanien am Ende des 15. Jahrhunderts und der damit folgenden Verbreitung des Ladino und 2. die Befreiung des Konzentrationslagers Mauthausen im Spiegel der Graphic Novel „El fotógrafo de Mauthausen“ des Zeichners Jordi Peidro in den Blick. Die zwei in chronologischer Folge aufgebauten digitalen Unterrichtseinheiten für das Fach Geschichte in Frankreich spannen den Ausführungen von Prof. Dr. Kay Peter Jankrift zufolge einen Bogen über die Formen, Entwicklungen und Auswirkungen von Antisemitismus vom Mittelalter bis in die Gegenwart.

Mit der Präsentation der digitalen Unterrichtseinheiten für die Fächer Deutsch sowie Deutsch als Fremdsprache/Deutsch als Zweitsprache in Rumänien, leitete Prof. Dr. Iulia-Karin Patrut von der historisch-politischen zur philologischen Sektion der Abschlusstagung über. Die Lehrmaterialien verwenden als mediale Grundlagen die Graphic Novel „Aber ich lebe“ mit den Erinnerungen der Shoah-Überlebenden Emmie Arbel sowie den Kurzfilm „Masel Tov Cocktail“. 

Der letzte Tag der Abschlussveranstaltung begann mit der Vorstellung der für das Fach Deutsch als Fremdsprache in Frankreich konzipierten Unterrichtseinheiten durch Prof. Dr. Ursula Hennigeld. Entsprechend der grundlegenden Ausrichtung des Verbundprojekts, schulische Lehrmaterialien fächerübergreifend im europäischen Kontext und unter Berücksichtigung jüdischer Perspektiven zu erarbeiten, wurden auch für den deutschen Fremdsprach-Unterricht in Frankreich die Graphic Novel „Aber ich lebe“ und der Kurzfilm „Masel Tov Cocktail“ zugrunde gelegt. In den Ausführungen wurde der Entwicklungsprozess der Lehrmaterialien skizziert und auf Abwehrhaltungen von Lehrkräften bei der Behandlung des Themas Antisemitismus in Frankreich verwiesen, die im Rahmen von Interviews deutlich geworden sind. Die von Dr. Benjamin Inal und Dr. Matteo Anastasio (Europa-Universität Flensburg) erläuterten Lehrmaterialien für den Spanisch-Unterricht in Deutschland greifen gemäß der fächerübergreifenden Konzeption des Verbundprojekts Inhalte der Unterrichtseinheiten für das Fach Geschichte in Spanien auf. Erweitert wird dies durch eine weitere Einheit, die auf der eigens für das deutsch-spanische Teilprojekt verfassten Kurzgeschichte „El equilibrista“ des guatemaltekischen Schriftstellers Eduardo Halfón beruht. 

Den Schlusspunkt der Veranstaltung setzte Prof. Dr. Ursula Hennigfeld mit ihrer Präsentation der beiden für das Fach Französisch gestalteten Unterrichtseinheiten. In deren Mittelpunkt stehen die Graphic Novel „Après la rafle. Une histoire vraie“, die von Laurent Bidot und Arnaud Delalande in Zusammenarbeit mit dem Shoah-Überlebenden Joseph Weismann gestaltet wurde, sowie der Film „Les enfants du 209, rue Saint-Maur, Paris Xe“ von Ruth Zylberman.


Foto oben: Dr. Tobias Ebbrecht-Hartmann