Sind Sie m/w/d? Wie wirkt sich gendersensible Sprache in Stellenanzeigen aus?
Von Informatiker (m/w/d) über Social Media Manager*in (m/f/d) bis hin zu Developer Java (Mensch*): Arbeitgeber nutzen zahlreiche Möglichkeiten, Stellenanzeigen geschlechtsneutral zu formulieren. Ob die Nutzung gendersensibler Sprache aber tatsächlich einen Effekt hat, zählt zu den wohl umstrittensten Fragen, mit denen sich Forschende aus ganz unterschiedlichen Disziplinen derzeit auseinandersetzen. In einer Studie unter Beteiligung der Heinrich-Heine-Universität (HHU), die kürzlich in der Fachzeitschrift PLoS One erschienen ist, konnten erstmals umfassende Datenmengen zur User-Interaktion mit Online-Stellenanzeigen ausgewertet werden. Zusammen mit Dominik Hetjens (TU Dresden) hat Prof. Dr. Stefan Hartmann vom Institut für Germanistik der HHU einen Datensatz untersucht, der von der Online-Stellenbörse StepStone zur Verfügung gestellt wurde.
Die Website von StepStone zeigt bei der Suche nach Stellenanzeigen eine Trefferliste in Form der jeweiligen Titel der Stellenanzeigen an; durch einen Klick darauf, erhält man weitere Informationen zur Stellenausschreibung. Hetjens und Hartmann untersuchten, wie häufig diese Titel tatsächlich angeklickt werden – als ein Indiz dafür, dass sich die jeweilige Benutzerin oder der jeweilige Benutzer von der Stellenanzeige angesprochen fühlt. Da registrierte User in ihrem Profil eine Angabe zum Geschlecht machen können, waren die Forscher in der Lage, den Anteil an Klicks von Personen, die sich als weiblich identifizieren, für unterschiedliche Varianten des Genderns und für die unterschiedlichen Branchen, denen die Stellenanzeigen zugeordnet sind, zu errechnen.
Dabei zeigte sich zunächst, dass zwischen den einzelnen Branchen noch immer deutliche Unterschiede bestehen. So liegt der Frauenanteil etwa im Bereich Verwaltung besonders hoch, in Bereichen wie IT und Bauwesen dagegen deutlich niedriger. Darüber hinaus zeigte sich jedoch auch ein Effekt gendersensiblen Sprachgebrauchs: bei Stellenanzeigen, bei denen an eine maskuline Form wie Informatiker lediglich ein (m/w/d) angehängt wurde, lag der Frauenanteil über alle Branchen hinweg fast durchweg signifikant niedriger als bei solchen, die etwa ein sogenanntes Morphemtrennzeichen, also beispielsweise Genderstern (Informatiker*in) oder Gendergap (Informatiker_in), oder neutrale Formen wie Pflegekraft benutzten.
Vorsicht bei der Interpretation der Daten
Diese Ergebnisse stützen die Resultate einiger früherer Studien, die mit experimentellen Methoden zeigen konnten, dass der Gebrauch gendersensibler Sprache dazu führen kann, dass sich Bewerberinnen in höherem Maß angesprochen fühlen. Zugleich weisen die Autoren aber auch darauf hin, dass bei der Interpretation der Daten Vorsicht geboten ist. Zum einen wurde aus Datenschutzgründen mit stark aggregierten Daten gearbeitet, sodass viele Details nicht berücksichtigt werden konnten, etwa die genaue Formulierung des Ausschreibungstitels. So würden Klempner (m/w/d) und Account Manager (m/w/d) der gleichen Kategorie zugeschlagen, auch wenn bei englischen Berufsbezeichnungen unter Umständen davon auszugehen ist, dass sie auch von deutschsprachigen Leserinnen und Lesern als genderneutraler empfunden werden als ursprünglich deutsche Personenbezeichnungen im Maskulinum. Zum anderen geben Hetjens und Hartmann zu bedenken, dass die beobachteten Unterschiede nicht zwangsläufig auf einen kausalen Zusammenhang zwischen gendersensibler Sprache und einem höheren Anteil an Interaktion seitens weiblicher Nutzerinnen zurückzuführen sein müssen. Es sei ebenso denkbar, dass beispielsweise Unternehmen, die Stellen ausschreiben, die aus anderen, unabhängigen Gründen Frauen besonders ansprechen, auch stärker dazu tendieren, gendersensible Sprache zu verwenden.
Die Autoren warnen daher davor, aus der Studie allzu starke Argumente für die kontrovers geführte gesellschaftliche Diskussion um gendersensible Sprache abzuleiten. Zwar sei die Annahme durchaus plausibel, dass sich Frauen von der gegenderten Form eher angesprochen fühlen als – unabhängig vom nachgestellten (m/w/d) – von der maskulinen Form, doch seien umfassendere Folgestudien notwendig, um herauszufinden, welchen Anteil gendersensible Sprache am beobachteten Effekt wirklich hat.
Die Studie ist hier abrufbar.