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Blaue Leuchtschrift: Meet me for Coffee

Auf einen kurzen Kaffee mit ...

Ann-Kathrin Allekotte M.A., wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Medien- und Kulturwissenschaft

Hallo zusammen, mein Name ist Ann-Kathrin Allekotte und ich bin seit 2019 Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Medien- und Kulturwissenschaft der HHU. Hier, am Institut in Düsseldorf, habe ich selbst auch sowohl den Bachelor als auch den Master absolviert, habe währenddessen zwei Auslandssemester in Davis, USA und Utrecht, NL verbracht und gehöre seit dem Studium und bis heute zu den Bahn-Pendler*innen, denn ich komme aus und wohne in der schönen Stadt am Fluss – Mülheim an der Ruhr.

An unserem Institut bin ich stellvertretende Mittelbausprecherin und zu meinen Aufgaben gehört alles, was mit „Studierendenakquise“ zu tun hat, d.h. ich stelle unseren Studiengang im Rahmen des Hochschulinformationstags oder der Campusmesse vor und bespiele auch unseren Instagram-Account @mekuwi_hhu, auf dem wir präsentieren, welche Projekte unsere engagierten Studierenden auf die Beine stellen oder über den wir über anstehende Veranstaltungen informieren. Außerdem bin ich noch Ansprechperson für das Filmfestteam – das Filmfest ist ein rein von unseren Studierenden organisiertes und durchgeführtes Kurzfilmfestival, das jedes Jahr im November auf dem Campus stattfindet – also hier schon einmal meine herzlichste Einladung :-) (Ein Interview mit zweiten Vorstandsvorsitzende des Filmfestes DüsseldorfAnouk Bielders, finden Sie hier).

Ich trinke gerne Tee, aber Kaffee trinke ich auch, z.B. gerne mit Haselnusssirup :-)

Immer mehr Künstler*innen scheinen das vielseitige Medium nicht nur zur Verbreitung ihrer Musik, sondern auch dafür zu nutzen, um Missstände in Gesellschaft und Politik, oder Themen wie mangelnde Gleichberechtigung, Heteronormativität, Rassismus, Klimawandel oder Waffengewalt anzusprechen und ihre Fans herauszufordern, die Welt ein wenig anders zu sehen als zuvor. Musikvideos nehmen da eine ambivalente Rolle zwischen subversiver Kunst und kapitalistischem Werkzeug ein, denn natürlich wird in diesen weiterhin für die Musik, die Künstler*innen selber oder durch Produktplatzierungen geworben. Gleichzeitig aber eben auch für diverse „messages“, die die Künstler*innen durch das Musikvideo vertreten, das sich durch sein freies, kreatives Format sowie seine gegenwärtigen Rezeptions- und Distributionsmöglichkeiten sehr für Konventionen brechende Inhalte eignet. Das machen beispielsweise Lil Nas X, der in seinen Musikvideos, bspw. in INDUSTRY BABY oder MONTERO (Call Me By Your Name), Schwarze, queere Lebensrealitäten repräsentiert und reflektiert oder Little Simz in ihrem Musikvideo zu Woman, in dem sie die Stärke von Frauen, besonders weiblich gelesenen Menschen „of Color“,  thematisiert und zu gegenseitiger Solidarität aufruft.

In ganz ähnlicher Weise: Fatoni und Edgar Wasser beschreiben in ihrem Song Realität aus dem Jahr 2020 beispielsweise, dass die Realität und die damalige Weltsituation schlimmer seien als Satire. Dementsprechend ist das Musikvideo der beiden Rapper im Stil der Fernsehserie „South Park“ gehalten, in der mit maßloser Übertreibung gearbeitet wird, um Gesellschaftskritik zu üben und Absurditäten herauszustellen. Aus heutiger Sicht verarbeiten Fatoni und Edgar Wasser die Absurditäten aus dem Jahr 2020, doch auch heute noch ist das Video aktuell, würden sich weiterhin zu viele reale Dinge finden lassen, die zu grotesk sind, als dass man sie noch karikieren könnte.  Deichkind beschreiben in ihrem Musikvideo zu In Der Natur beispielweise die menschliche und gesellschaftliche Entfremdung von der Natur und der damit einhergehenden Zerstörung – der Natur und von uns selbst.

Definitiv! Gerade dadurch, dass Künstler*innen nun gemäß dem Slogan „Broadcast yourself!“ aus den Anfangsjahren von YouTube selbst Videos hochladen oder sich und ihre Musik audiovisuell über Social Media Plattformen wie Instagram oder TikTok präsentieren und bewerben können, können Musikvideos und ihre audiovisuellen Verwandten wie TikTok Videos und Instagram Reels, insbesondere heutzutage als Möglichkeitsraum gesehen und genutzt werden. Als Medium, das es Künstler*innen erlaubt, sich und ihre Positionen, ihre Hintergründe, ihre „messages“ auf vielfältige Weise auszudrücken und mit anderen zu teilen. Wir als Rezipient*innen stehen vor einer größeren, diverseren Auswahl an Künstler*innen und Musikvideos wie nie zuvor und Repräsentation spielt hier eine riesige Rolle. Vor kurzem ist Baba von Apsilon erschienen – im Song und im Video thematisiert der deutsche Rapper, dessen Großeltern als Gastarbeiter*innen aus der Türkei nach Deutschland kamen und dessen Dede, sein Großvater, im Musikvideo zu sehen ist, neue Formen von Männlichkeit, zusätzlich aus einer post/migrantischen Perspektive. Unterschiedliche Repräsentationen und Aushandlungen von race, class und gender finden sehr deutlich im zeitgenössischen Musikvideo statt.  
Dieses Aufgreifen politischer und gesellschaftskritischer Diskurse führt dazu, dass Diskussionen angetrieben und schließlich auch geführt werden und somit persönliche und/oder gesellschaftliche Veränderungen hervorgebracht werden.  Aber wie bei vielem nimmt das Musikvideo hier eine ambivalente Rolle zwischen politischem Handeln, gar Subversion und performativem Aktivismus ggf. mit monetären Hintergedanken ein und bspw. „Marketplace Feminism“ - wenn sozialer Wandel quasi zur eigenen Markenidentität wird - ist in der Musik(video)branche genauso vertreten, wie Musik/videos, die keine progressiven Inhalte vermitteln, sondern konservative bis rechte.

Ja, weil sie sich vielleicht „mehr erlauben“ können. Ihr kurzes Format, Jump Cuts, schnellere Kostüm- und Szenenwechsel, ihre Eigenschaft und Tradition sich, auf ihre eigene Musik/Video-Historie zu beziehen sowie auf Popkultur und aktuelle gesellschaftliche Themen zu verweisen, bietet sich an, um Konventionen, Normativitäten zu hinterfragen. Diese offeneren Sehgewohnheiten würde ich auch darauf übertragen, dass die Verhandlung progressiverer Themen gerade im Musikvideo stattfindet und sie durch ihre gegenwärtige Anschlussfähigkeit und Eingebundenheit in Social Media Tragweite erhalten. Natürlich sind aber auch beim Musikvideo die Grenzen und Übergänge zu verwandten Formaten fließend: Was unterscheidet einen Videoclip beispielsweise von einem musikalischen Kurzfilm? Gerade wenn man an Michael Jacksons Hit Thriller denkt, dessen Musikvideo eine Länge von ca. 14 Minuten hat oder Konzepte wie Janelle Monáes 46-minütiges, ihr drittes Album „Dirty Computer“ begleitendes „EMOTION PICTURE“. Hier wären wir dann vielleicht schon wieder bei der Kategorie der „Visual Albums“.

Oh da gibt es einige! Natürlich kann man hier einen gängigen Kanon wiederholen, in den bspw. Queens Bohemian Rhapsody, Michael Jacksons Thriller sowie Scream, Peter Gabriel mit Sledgehammer, Laurie Anderson mit O Superman, Nothing Compares 2 You von Sinéad O’Connor, Like a Prayer und Vogue von Madonna , Take on Me von A-Ha,  Björk mit All is full of Love, Around the World von Daft Punk, Praise You von Fatboy Slim, die Dire Straits mit Money for Nothing und natürlich die Buggles mit Video killed the Radio Star fallen, welches das erste Musikvideo war, das 1981 beim Sendestart von MTV lief.

In jüngerer Vergangenheit waren es bspw.  Beyonces Single Ladies (Put a Ring on It) oder Formation, Gangnam Style von Psy, Gotyes Somebody That I Used To Know, Lady Gagas Bad Romance oder Born this Way, Humble von Kendrick Lamar, The Carters mit Apeshit, This is America von Childish Gambino oder die Musikvideos von Lil Nas X, die im Feuilleton besprochen wurden und eine breitere Rezipient*innenschaft erreichten.

Das ist aber ja natürlich nur eine Auswahl, die sich, bis auf Ausnahmen, auf hauptsächlich US-amerikanische und europäische Musikvideo beschränkt. Je nachdem wen man fragt, würden bestimmt noch zahlreiche weitere Musikvideos, unterschiedlicher Genres genannt werden und jede*r hat bestimmt ganz persönliche Meilensteine. Musik und ihre dazugehörigen Musikvideos sind ja auch immer etwas Emotionales, indem sie uns an eine bestimmte Zeit in unserem Leben oder prägende Situationen erinnern.

Money for Nothing von den Dire Straits begeistert mich persönlich – nicht nur musikalisch wegen des meiner Meinung nach wohl besten Song-Intros aller Zeiten mit dem bekannten Gitarren-Riff und Schlagzeug-Solo – auch zum Thema passt es super, war das Musikvideo zu Money for Nothing doch das erste, welches 1987 beim Sendestart von MTV Europe ausgestrahlt wurde. Am Anfang und Ende des Liedes hört man den Sänger Sting, der die Zeile „I want my MTV!“ mehrfach wiederholt, bezugnehmend auf MTVs erste Werbekampagne aus dem Jahr 1982 mit gleichnamigen Slogan, die darauf ausgelegt war Kabelnetzbetreibende davon zu überzeugen, MTV auszustrahlen und Zuschauer*innen zu gewinnen, sobald der Sender dem Kabelsystem hinzugefügt wurde. Das Musikvideo zu Money for Nothing war zudem eines der ersten, in dem computeranimierte menschliche Figuren verwendet wurden und damit zum Zeitpunkt seiner Veröffentlichung bahnbrechend.  Der Vater meiner besten Freundin hatte das Video damals zusammen mit Walk of Life als Sammlung der „Videosingles“ des dazugehörigen Albums Brothers of Arms auf VHS-Kassette, der klassische Weg in den 80ern und 90ern an Musikvideos zu kommen. Meine Freundin und ich haben diese beiden Videos rauf und runter geschaut, wir waren von den Animationen in Money for Nothing und den Lebensfreude versprühenden Sportclips in Walk of Life total begeistert. Schön, dass ich diese Begeisterung von damals jetzt wieder in meiner Forschung und Arbeit aufleben lassen kann :-)


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Autorin: Andrea Rosicki