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News-Detail

Gespräch über Sterbehilfe:
Präses Manfred Kock zu Gast

Pressebild
Vor der Veranstaltung (v.l.): Rektor Prof. Dr. Dr. h.c. Gert Kaiser, Präses Manfred Kock und der evanglische Studierendenpfarrer Martin Prang

Foto: Rolf Willhardt

Der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Manfred Kock, hatte gestern die Professorinnen und Professoren der Heinrich-Heine-Universität zu einem gemeinsamen Gespräch in den Gemeindesaal der Bruderkirche geladen. Thema: Sterbehilfe.

In seinen begrüßenden Worten beschrieb Präses Kock die Sterbehilfe als "mehr als ein akademisches Thema". Gelte die Kirche wirklich als "Bremserin", habe sie "ethische Scheuklappen"? Kock: "Und wie gestaltet sich der sogenannte Fortschritt unter uns? Wie verhält es sich mit der Menschenwürde?"

Rektor Kaiser skizzierte dann noch einmal den regelmäßigen Austausch zwischen ihm und den beiden Studierendenpfarrern, Martin Prang und seinem katholischen Amtsbruder Frank Müller. Er freue sich außerordentlich, den höchsten Repräsentaten der Rheinischen Landeskirche zu diesem Gespräch mit Universitätsangehörigen zu Gast zu haben.

Prof. Dr. Dirk Olzen (Bürgerliches Recht und Zivilprozeßrecht / Institut für Rechtsfragen der Medizin) umriß dann in einem kurzen Statement die juristischen Aspekte des Themenkomplexes, gerade mit Blick auf die neueste Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes in Straßburg und der unlängst geänderten Gesetzesänderung in den Niederlanden (Spiegel-Überschrift: "Freier Tod für freie Bürger"). Er zeigte die Unterschiede zwischen "Sterbebegleitung", "passiver" und "aktiver Sterbehilfe" auf sowie das Konfliktfeld zwischen den Grundgesetzwerten Menschenwürde und Recht auf Leben. Olzen: "Juristisch ist das Problem offen."

Prof. Dr. Dr. Alfons Labisch (Institut für Geschichte der Medizin) zeigte den historischen, soziologischen und mentalen Wandel beim Umgang mit den Begriffen "Tod" und "Sterben" auf. Labisch: "Die Grundfragen des Menschseins werden zur Zeit angesichts des medizinisch-technischen Fortschritts neu bestimmt." Und: "Was ist der Mensch? Diese Frage wird vom Tode her gedacht." Anderseits: "Die Gesundheit ist zum gesellschaftlichen Wert geworden." Der Medizinistoriker machte jedoch auch deutlich, wie in der Neuzeit die transzendentale Bedeutung des Todes - anders als in archaischen , antiken Kulturen oder im Mittelalter - durch Begriffe wie "Rasse", "Klasse" oder "Masse" pervertiert wurde. Sein Fazit: "Die modernen Gesellschaften finden kein Verhältnis zum Tod, der Sinnwert des Todes ist verloren gegangen."

Präses Kock griff den Gedanken auf und formulierte: "Wir leben jetzt in der Paradoxie, daß der Tod als sinnlos angesehen, aber im Problemfeld der Sterbehilfe ersehnt wird!" Er unterstrich noch einmal deutlich die Position der Evangelischen Kirche Deutschlands mit ihrem klaren Nein zur Sterbehilfe. Was nicht ausschlösse, daß die EKD die passive Sterbehilfe akzeptiere, mit der Begründung, daß das Sterben das Los des Menschen sei, auf das er ein Recht habe.

Bezüglich der aktiven Sterbehilfe verwies Präses Kock auf jene Patienten, die sich nicht mehr äußern können und auf die große Schuld, mit denen Angehörige und Mediziner bei aktiver Sterbehilfe konfrontiert werden. Der niederländische Weg sei nicht gangbar, er erzeuge in einer Gesellschaft, die auf Jugend und Funktionieren fixiert sei, einen ungeheuren Druck bei alten Menschen und Sterbenden.

Präses Kock plädierte für eine verbesserte palliative Medizin und mehr allgemeine gesellschaftliche Aufmerksamkeit für das Leiden ("Respekt vor den irdischen Grenzen des Lebens, auch angesichts des Todes. Die Menschwürde kann nicht durch Krankheit verloren gehen."). Ber Bitte um einen erlösenden Tod müsse mit mehr menschlicher Zuwendung, etwa durch die Hospizbewegung, begegnet werden.

In der anschließenden Diskussion machte Pfarrer Martin Prang u.a. noch einmal deutlich, daß es sich bei der niederlädnischen Lösung nur um "Straffreiheit" bei der Sterbehilfe handele, nicht um eine "Erlaubnis zum Töten". Er zitierte zum Abschluß den Philosophen Ernst Bloch: "Nach dem Tode kommt das große Nichts. - Aber wer weiß, wie das aussieht?"

Autor/in: Rolf Willhardt
Kategorie/n: Pressemeldungen