Anfang des Jahres hatten sich führende deutschsprachige Spielewissenschaftler im Xplanatorium in Schloss Herrenhausen zu dem Workshop „Ludic Thinking – Chancen und Potenziale der Spieleforschung“ getroffen, der von der Volkswagen-Stiftung gefördert wurde. Organisiert von Jun.-Prof. Dr. Melanie Fritsch und Finja Walsdorff (beide Heinrich-Heine-Universität), Prof. Dr. Andreas Rauscher (Hochschule Kaiserslautern), Prof. Dr. Sebastian Möring (Hochschule macromedia) und Dr. Peter Podrez (Universität zu Köln) kamen dort diejenigen zusammen, die sich aus verschiedenen fachlichen Perspektiven mit den Phänomenen Spiel und Spielen beschäftigen. Ziel war eine Standortbestimmung des Feldes der Spielwissenschaft vorzunehmen und anhand von exemplarischen Fallstudien zu den aktuellen Themenfeldern Politik, Umwelt-/Klimaschutz, Kulturerbe und Krisenbewältigung zu erkunden, welcher Beitrag zu diesen Debatten geliefert werden kann.
„Bei den Wörtern ‚Game Studies‘ oder ‚Spielforschung‘, denken viele zunächst an Forschung, die vor allem digitale Spiele zum Gegenstand hat“, sagt Jun.-Prof. Dr. Melanie Fritsch. „Andere Formen wie Brett-, Karten- und Gesellschaftsspiele, Live-Rollenspiel, Pen-and-Paper oder Tabletop sind für uns aber gleichermaßen von Interesse. Darüber hinaus begegnen uns Spiel und spielerische Prozesse auch dort, wo wir es zunächst vielleicht nicht erwarten würden, z.B. bei gamifizierten Lern- und Arbeitsprozessen, Verkaufsplattformen, die wie Handyspiele gestaltet sind, oder zum spielerischen Umgang einladenden Social Media-Angeboten. Das Spielen findet also nicht nur im Rahmen von sofort als solchen erkennbaren Spielen statt.“
Das auf Basis des Workshops gemeinsam von allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern erarbeitete Positionspapier schlägt eine transdisziplinäre Spielwissenschaft vor, die sowohl die theoretische als auch die angewandte Dimension umfasst, und benennt explizit die Notwendigkeit ihrer Förderung und Institutionalisierung. Der Bedarf an einer solch breit aufgestellten spielwissenschaftlichen Expertise zeigt sich in den verschiedensten Kontexten, so z.B. im Bereich der politischen Bildung, der Bewahrung von Kulturerbe, der Public History, im kulturellen Sektor, im Gesundheitssektor oder in der Kreativwirtschaft. Auch in der Forschung selbst kommen Spiele und Spieldesign als Methoden zum Einsatz, wie etwa das Spiel „Foldit“ aus dem Jahr 2008 gezeigt hat.
Das Positionspapier versteht sich als aktueller Debattenbeitrag zum Status der Spielwissenschaft in Deutschland. Es wurde im Fachjournal PAIDIA publiziert und findet sich hier: https://paidia.de/zur-etablierung-einer-spielwissenschaft/