Einer der sechs Heinz Maier-Leibnitz Preise geht an den Düsseldorfer Historiker Dr. Volker Zimmermann. Zimmermann erhält die mit 16.000 Euro dotierte Auszeichnung für seine Arbeit über die Stimmung und die Politik der Sudetendeutschen nach dem Anschluß der tschechoslowakischen Randgebiete an Deutschland im Jahr 1938.
Der Heinz Maier-Leibnitz Preis wird jährlich von der Deutschen Forschungsgemeinschaft an solche Wissenschaftler verliehen, die exzellente Forschungsleistungen erbracht haben und nicht älter als 33 sind.
Beispielhaft analysiert Volker Zimmermann das Verhältnis zwischen der NS-Herrschaft und der Bevölkerung in der Provinz und kommt zu einem bedeutsamen Fazit: Die Sudetendeutschen passen weder in das Klischee der fanatischen Nationalsozialisten noch in das Bild von passiven Opfern reichsdeutscher Kolonialherrschaft. Damit leistet Volker Zimmermann einerseits einen wichtigen und erhellenden Beitrag zur Geschichtsforschung. Andererseits kann seine Dissertation aber auch helfen, das aktuelle Verhältnis zwischen Deutschen und Tschechen auf eine objektivere Basis zu stellen.
Die Arbeit von Dr. Zimmermann fordert am Beispiel des Reichsgaus Sudetenland eine differenzierte Auseinandersetzung mit der NS-Zeit. So waren es beispielsweise fast ausschließlich sudetendeutsche Politiker, die die Führungspositionen in der NSDAP-Gauleitung und den Kreisleitungen besetzten und gerade gegenüber der tschechischen Minderheit im Gau eine unnachgiebige Politik betrieben. Differenziert müssen auch Reaktionen der Bevölkerung auf Maßnahmen des NS-Regimes betrachtet werden. Die Begeisterung über den Einmarsch der Wehrmacht bewog so viele Menschen zum Eintritt in die Partei und die SA, daß der Gau im Vergleich zu anderen deutschen Gebieten die höchsten Mitgliederzahlen aufwies. Das Schicksal von Juden, Tschechen oder NS-Gegnern interessierte offenbar wenige, während zu hohe Preise und zu niedrige Löhne wesentlich stärker die Kritik am NS-Regime förderten. Die während des Krieges wachsende Angst vor einer Rache der Tschechen und einer eventuellen Vertreibung im Fall der deutschen Niederlage (angedroht durch die Exilregierung in London) verstärkte jedoch das Gefühl, bis zum bitteren Ende an der deutschen Seite ausharren zu müssen. Widerstand leisteten vor allem Sozialdemokraten, Kommunisten und Teile der tschechischen Minderheit.
Eine von den Außenministern der Bundesrepublik Deutschland und der Tschechischen Republik eingesetzte Historikerkommission nahm die Untersuchung in ihre Schriftenreihe auf, sodaß das Buch 2001 auch in tschechischer Sprache erschien. Zimmermanns Forschung könnte auf diese Weise ein Stück Versöhnungsarbeit leisten.
Dr. Volker Zimmermann hat von 1988 bis 1994 an der Heinrich-Heine-Universität Neuere Geschichte, Osteuropäische Geschichte und Politikwissenschaft studiert. Er ist Mitarbeiter am Institut für Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf (Direktor: Prof. Dr. Dr. h.c. Detlef Brandes) und untersucht die Beziehungen zwischen der DDR und der Tschechoslowakei in den Jahren 1945 bis 1969. Zuvor unterrichtete er an der Karls-Universität in Prag. Mit zwei Schriften über Düsseldorf in der NS-Zeit brachte er historische Themen auch der breiten Öffentlichkeit nahe.
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Heinz Maier-Leibnitz-Preis geht nach Düsseldorf: Dr. Volker Zimmermann ausgezeichnet
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