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Teil des Ausstellungsplakates

Ausstellungsprojekt "Roots...Routes"

Kuratiert im Rahmen eines Teamprojekts im Masterstudiengang Kunstvermittlung und Kulturmanagement und Medienkulturanalyse

Am Mittwoch, 19. November 2025, eröffnet um 19:00 Uhr die Ausstellung “Roots…Routes” im Nilsson des Initiativenhaus Martinstraße 58 e. V.. Die Ausstellung thematisiert Heimat und Migration als emotionale und geografische Räume und präsentiert zwei künstlerische Positionen von Luc Samuel Wrobel und Noelle Amelia Ehrenfeld. Kuratiert wurde die Ausstellung im Rahmen eines Teamprojekts im Masterstudiengang Kunstvermittlung und Kulturmanagement und Medienkulturanalyse von Alina Godglück und Sumru Tekin. Die Ausstellung ist bis zum 23. November 2025 täglich geöffnet, der Eintritt ist frei.

In einer Zeit, in der globale Mobilität, kulturelle Vermischung und persönliche Identitätsfragen immer drängender werden, eröffnet diese Ausstellung zwei sehr persönliche, künstlerische Perspektiven auf Zugehörigkeit und Herkunft.

Im Rahmen des Teamprojekts haben die Studentinnen Noelle Amelia Ehrenfeld aus dem Master Medienkulturanalyse sowie Alina Godglück und Sumru Tekin aus dem Master Kunstvermittlung und Kulturmanagement mit der Unterstützung von Luc Samuel Wrobel eine künstlerische Ausstellung zu diesem Thema erarbeitet. Im Wintersemester 2026 wird die Ausstellung im November eröffnet und am Ende des Semesters im Januar wird das Projekt beim Teamforum von Medienkulturanalyse rückblickend vorgestellt.

Die fotografische Arbeit „suchen um zu finden - szukać żeby znaleźć - chercher pour trouver“ folgt Luc Samuel Wrobel auf seiner Spurensuche nach familiären und kulturellen Wurzeln in Deutschland, Polen und Frankreich. Das Motiv der Sehnsucht nach Heimat und Geschichten generationsübergreifender Migration sind die zentralen Themen der fotografischen und textbasierten Auseinandersetzung. Aus den Fragmenten der Erzählungen, mit denen sich der in Bielefeld und Duisburg arbeitende Künstler auseinandersetzt, ergibt sich eine Tradition des Kulturgutbewahrens. Wrobel zeigt, dass Traditionen und nationale Identitäten von den Menschen eigenständig geschaffen und erhalten werden. In seiner Arbeit wird der Aspekt der Oral History und ihre Rolle für die dokumentarische Fotografie besonders deutlich. Trotz der intimen Handlung des Werks, erzeugt der Künstler eine fotografische Distanz, die durch seine textbasierte Begleitung aufgebrochen wird.

Daneben steht die multimediale Arbeit von Noelle Amelia Ehrenfeld „Der Körper in der Mitte, der Ich bin“, in der sie mithilfe einer Kombination aus analogen Collagen und Augmented Reality ihre sinnlichen Erfahrungen mit der guyanischen Kultur erfahrbar macht. Die analogen Collagen an den Wänden sind visuelle Zusammenschnitte von Fotografien in Deutschland und Guyana. An der Arbeit von Ehrenfeld wird besonders physisch eine Zerrissenheit deutlich, die sich nicht nur formal, sondern auch inhaltlich mit Erfahrungen von Migration verbinden lässt. Durch das Mix-and-Match der Collagen sowie die unterschiedlichen Materialien entsteht ein Bild von Identität, das nicht als geschlossenes Ganzes erscheint, sondern als etwas, das sich aus vielen Fragmenten zusammensetzt. Diese Vielschichtigkeit erinnert an die Erfahrung, zwischen verschiedenen Kulturen, Sprachen und Orten zu leben, wodurch ein Gefühl des Dazwischen entsteht. Die Collage wird so zu einem Medium,
das die innere Spannung und das gleichzeitige Verbundensein mit mehreren Welten sichtbar macht.

Heimat

In Deutschland hat Heimat “(...) nie einen realen Ort, sondern schon immer die Sehnsucht nach einem bestimmten Ideal beschrieben: einer homogenen, christlichen weißen Gesellschaft, in der (...) andere Lebensrealitäten schlichtweg nicht vorkommen.“ (Aydemir/Yagoobifarah 2021: 9). Was als heimisch gilt, wird von den Mehrheitsverhältnissen definiert. 2018 wurde die politische Instrumentalisierung des Begriffs mit der Umbenennung des Innenministeriums zum Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat unterstrichen. Heute, 2025, ist das Bundesministerium für Landwirtschaft, Ernährung und Heimat dafür zuständig. Im gesellschaftlichen Diskurs wird Heimat oft als Grenze definiert, an der über Zugehörigkeit verhandelt wird. „Woher kommst du wirklich?“ Eine scheinbar harmlose Frage, die eine Grenze zwischen Fragendem und Gefragten zieht. Wer dazugehört und wer nicht wird über das Äußerliche und über Zuschreibungen definiert. Wenn wir Heimat über einen Ort und das Gefühl von Zugehörigkeit definieren, wie haben dann Kinder von Migrant*innen auf die Frage zu antworten? „Die Migrant[*]innen der zweiten Generation sind die tatsächlich heimatlosen bzw. entwurzelten Migrant[*]innen.“ (Vojvoda-Bongartz 2010: 248). Trotz vielfältiger kultureller Bezugspunkte besitzen sie keinen festen Ort der Heimat. Aus einer postmigrantischen Perspektive ist also Heimat weniger ein Ort oder ein Land, sondern vielmehr eine Assoziation, die mit Gefühlen von Sicherheit, Geborgenheit, Verstehen und Verstandenwerden, Zugehörigkeit und Anerkennung verbunden ist (vgl. Bastian 1995: 23).

Obwohl wir Migra-Kinder auf mehr als einen Bezugsort zurückgreifen können, kommt keiner als echte Heimat in Frage. Wir bleiben auf der Suche nach einem Identitätsgehäuse, das die Vielschichtigkeit unserer kulturellen Lebenswelten nicht kategorisiert, sondern sie in souveräner Kohärenz nebeneinander bestehen lässt (vgl. Vojvoda-Bongartz 2010: 248).

Landschaftsbilder und die Verortung vom Ich

Wenn Heimat kein Ort ist, wie stelle ich diesen physischen Ort da? In den Arbeiten von Ehrenfeld und Wrobel ziehen sich Bilder von Landschaft und Architektur wie ein roter Faden durch. Vor allen künstlerischen Darstellungen, ist Landschaft selbst, mit Steinen, Flüssen oder Erde ein multisensorisches Medium, in das kulturelle Bedeutungen und Werte kodiert sind – unabhängig von Umgestaltungen der Orte oder ob es sich dabei um „unberührte“ Natur handelt (vgl. Mitchell 2002: 14). Durch Landschaft als Medium werden Betrachtende eingeladen, sich zu fragen: „Wo bin ich eigentlich?“. Diese Frage bilden beide Arbeiten ab, indem sie die kulturelle Landschaft mit visuellen Darstellungen ihrer Spurensuche verknüpfen.

Besonders ist die Zusammenarbeit von Wrobel und Ehrenfeld mit Zeitzeug*innen und Erzählungen ihrer Erinnerungen. Mündliche Erzählungen werden oft aufgrund von Eurozentrismus als unglaubwürdig betrachtet, obwohl weniger die faktische Erzählung relevant ist, sondern wie etwas gesellschaftlich wahrgenommen wird (vgl. Eklund 2017: 83f). Die Darstellungsweise von Erinnerungen thematisieren oft Fragen von Identität, Nationalismus, Macht und Autorität (vgl. Said 2002: 243), welche die beiden Künstler*innen aufgreifen.

Der Kunsthistoriker W. J. T. Mitchell stellt die These auf, dass Landschaft eine besonders historische Form sei, die mit europäischem Imperialismus verbunden ist (vgl. 2002: 5). Zwar bezieht er sich auf Landschaftsmalerei, trotzdem sollte darüber hinaus kritisch beleuchtet werden, ob Landschaft als Medium kultureller Erinnerungen dargestellt wird, oder als Territorium. Kunstwerke bleiben Produkte unserer sozio-kulturellen Globalgesellschaft und spiegeln wider was Menschen beschäftigt.

Literatur

  • Aydemir, Fatma/Yaghoobifarah, Hengameh (2021): Vorwort, in: Fatma Aydemir, Hengameh Yaghoobifarah (Hrsg.) Eure Heimat ist unser Albtraum, S.9–12.
  • Bastian, Andrea (1995): Der Heimatbegriff. Eine begriffsgeschichtliche Untersuchung in verschiedenen Funktionsbereichen der deutschen Sprache, Berlin, Boston: Max Niemeyer Verlag, DOI: 10.1515/9783110917451.fm.
  • Eklund, Elizabeth (2017): Memory and Enshrining Writing: Rethinking the ethnocentrism imbedded in written vs. oral traditions, in: Arizona Anthropologist, 28, S. 76–87
  • Mitchell, W.J.T. (2002[1994]): Imperial Landscape, in: W. J. T. Mitchell (Hrsg.) Landscape and Power, London: The University of Chicago, S.5–34.
  • Said, Edward W. (2002[1994]): Invention, Memory, and Place, in: W. J. T. Mitchell (Hrsg.) Landscape and Power, London: The University of Chicago, S.241–260.
  • Vojvoda-Bongartz, Katarina (2012): Heimat ist (k)ein Ort. Heimat ist ein Gefühl: Konstruktion eines transkulturellen Identitätsraumes in der systemischen Therapie und Beratung, in: Kontext: Systemische Therapie - eine Annäherung? Zeitschrift für Systemische Therapie und Familientherapie, 43 (4), S. 234–256.