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Gruppenaufnahme der Promovierten mit Doktorhut

Festakt für die Promovierten der Philosophischen Fakultät - Dr. Simon Stein erhält den Preis für die beste Dissertation 2022

Die Philosophische Fakultät ehrte ihre Promovierten des Sommersemesters 2022 sowie des Wintersemesters 2022/23 in einem festlichen Rahmen im Haus der Universität. Die Auszeichnung der besten Dissertation 2022 für Dr. Simon Stein war einer der Höhepunkte des Abends.

Die Promotionsfeier ist ein bedeutender Meilenstein im Leben eines jeden akademischen Forschenden. Ein Blick zurück auf die Zeit der Genese bis zur endgültigen Abgabe der Promotionsarbeit ist nicht selten mit zahlreichen emotionalen Hochs und Tiefs verbunden. Daher ist es mehr als verdient, die Promovierten und ihre herausragenden wissenschaftlichen Arbeiten mit einem Festakt zu feiern. Neben den Hauptpersonen, die in Begleitung ihrer Familie und ihrer Freunde zahlreich zur Feier ihres akademischen Titels erschienen waren, füllten auch Betreuende und Mitglieder des Dekanats der Philosophischen Fakultät den festlich geschmückten Saal mit ausgelassener Stimmung. Gloria Gängel und Simon Herwig von ParTwo, sorgten mit Klezmer (jiddische Festmusik) für ein stimmungsvolles musikalisches Rahmenprogramm.

Univ.-Prof. Dr. Roger Lüdeke, Prodekan der Philosophischen Fakultät, eröffnete den Abend. Er betonte das ‚Abenteuer Promotionszeit‘, mit all seinen wissenschaftlichen und persönlichen Leistungen: „Sie haben Ihrem Fach zur Erfüllung verholfen, sich selbst einen Erfolg beschert und ein ganz unerhörtes Ereignis hervorgebracht“. Auch warf er in seiner Rede einen ganz persönlichen Rückblick auf seine eigne Promotionsfeier „prall gefüllt mit großem Glück“.

Persönliche Sichtweisen einer Doktorandin und eines Betreuenden auf die Promotionszeit, zeigten Daria Vakhrushova, Promovierte der Jiddistik, und Prof. Dr. Achim Landwehr (Institut für Geschichtswissenschaften). Die Kunsthistorikerin Nina Kloth-Strauß und Achim Zolke – seines Zeichen Leiter der Presse- und Kommunikationsabteilung der Heinrich-Heine-Universität und Promovierter im Fach Anglistik – stellten ihre Dissertationsthemen mittels kurzweiliger Slambeiträge vor.

Dr. Simon Stein erhält den Fakultätspreis für die beste Dissertation

Sprachwissenschaftler Dr. Simon Stein wurde für seine Promotionsarbeit „The phonetics of derived words: Tracing mechanisms of speech production in the acoustic duration of English derivatives” mit dem Preis für die beste Dissertation 2022 der Philosophischen Fakultät ausgezeichnet. Erstbetreuer der Dissertation war Prof. Dr. Ingo Plag vom Institut für Linguistik.

Stein beschäftigt sich in seiner Dissertation in vier groß angelegten Studien, wie sich die Struktur englischer abgeleiteter Wörter in ihrer Aussprachedauer niederschlägt.

Besteht Happiness aus happy und -ness?

Gesprochene Sprache ist erstaunlich: Menschen können Gedanken von einer Person zu einer anderen übertragen, nur indem sie eine Reihe von Lauten äußern. Doch bis heute verstehen wir nicht, wie das funktioniert. Welche Struktur haben Wörter und wie werden sie verarbeitet? Zerlegen wir Wörter in ihre Einzelteile, um sie verarbeiten zu können? Um beispielsweise ein abgeleitetes Wort wie happiness zu produzieren, setzen wir es aus Einzelteilen wie happy und -ness zusammen? Oder verarbeiten wir happiness als Ganzes?

Um die Idee zu untersuchen, dass Wörter in Einzelteile zerlegt werden (happy und -ness), wurde der Einfluss von drei Faktoren auf Aussprachedauer untersucht.

Durchführung von vier Studien

Die erste Studie setzte sich damit auseinander, wie häufig derartige Wörter in der Sprache vorkommen: Sprechen wir abgeleitete Wörter und ihre Bestandteile schneller aus, je häufiger ihre Basis ist (happy), je häufiger das ganze Wort ist (happiness), oder je häufiger die Basis im Verhältnis zum ganzen Wort ist?

Die zweite Studie beschäftigt sich damit, wie eingebettet ein Wortbestandteil (wie -ness) in die sogenannte prosodische Struktur des Wortes ist: welche Rolle spielt die Art von Silben und von größeren Einheiten für die Aussprachedauer dieser Bestandteile?

Die dritte Studie untersucht, wie viel Information in einem Wortbestandteil wie -ness enthalten ist: Sprechen wir solche Wortbestandteile unbewusst länger aus, wenn sie für unser Gegenüber informativer und damit wichtiger sind?

Alle drei Studien zeigen, dass die hier beschriebenen Faktoren die Aussprachedauer viel weniger verlässlich vorhersagen können als bisher angenommen. Die Idee, dass Wörter in ihre Einzelteile zerlegt werden, liefert also oft keine gute Erklärung dafür, was wir im akustischen Signal beobachten können.

Um die Idee zu untersuchen, dass Wörter stattdessen als Ganzes verarbeitet werden (happiness), führte Stein eine vierte Studie durch. In dieser untersuchte er Faktoren, denen ein Netzwerk zugrunde liegt, das Wörter als dynamisch erlernte Verknüpfung von Form und Bedeutung versteht, anstatt feststehende Einheiten (wie happy und -ness) anzunehmen. Die Studie kommt zu dem Schluss, dass einige solcher Faktoren die Aussprachedauer englischer abgeleiteter Wörter gut vorhersagen können. Zum Beispiel sprechen wir Wörter länger aus, wenn die Verknüpfung von Form und Bedeutung besonders stark ist und wir uns in ihrer Artikulation sicher sind.

Abgeleitete Wörter können auch als Ganzes verarbeitet werden

Die Dissertation zeigt somit, dass Lernnetzwerke eine vielversprechende Alternative bieten, akustische Daten zu modellieren. Die Ergebnisse sprechen dafür, dass abgeleitete Wörter auch als Ganzes verarbeitet werden könnten. Zudem können viele Ergebnisse durch Lernnetzwerktheorien besser erklärt werden als durch Theorien, die eine Zerlegung von Wörtern in Einzelteile annehmen.

Die Dissertation kommt aber auch zu dem Schluss, dass viele der untersuchten Faktoren in den vier Studien miteinander verwandt sind, aufeinander basieren oder miteinander interagieren. Stein argumentiert, dass es für die psycholinguistische Forschung wichtig ist, die untersuchten Faktoren als Metaphern zu verstehen. Diese Metaphern können dabei helfen, auf verschiedene Weise über Sprachproduktion und -verarbeitung nachzudenken. Jedoch ist es nicht ratsam, vorschnell Aussagen über die psychologische Realität dieser Faktoren zu treffen. Die Forschungsarbeit spricht somit gleichzeitig auch Worte der Warnung zur Einordnung und Interpretation bestehender Ergebnisse aus.

Prof. Dr. Ingo Plag zu der ausgezeichneten Dissertation:

„Die Arbeit von Simon Stein ist im Kontext der DFG Forschergruppe FOR2373 ‚Spoken Morphology‘ entstanden, deren Ziel es ist, ein besseres Verständnis darüber zu erlangen, wie sich die interne Struktur von komplexen Wörtern (z.B. dis-like, un-natur-al) in deren Aussprache und akustischen Eigenschaften niederschlägt, und wie diese Effekte erklärt werden können. Die Dissertation ist die am breitesten angelegte Studie zu dieser Frage überhaupt, und sie stellt mit ihren Ergebnissen einen bedeutenden Beitrag zum Verständnis der Rolle der Wortstruktur in der Sprachproduktion dar.

Simon Stein zeigt, dass keine der in der Literatur bisher angebotenen Erklärungen für die akustischen Längenunterschiede den Daten gerecht werden. Mit Hilfe einer auf diskriminativem Lernen beruhenden Computermodellierung demonstriert Stein, dass die zu beobachtenden Längenunterschiede als Effekte der Assoziation von Formen und Bedeutungen im Mentalen Lexikon zu erklären sind. Er leistet damit echte Pionierarbeit und bereitet einen vielversprechenden Weg für viele weitere Studien ähnlicher Art.“

Autorin: Andrea Rosicki

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