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Screenshot der Homepage Orte der Bonner Republik. Im linken Bereich auf dem Bild ist die Karte des Rheinlandes mit Markierungen zu sehen, im rechten Bereich sind erklärende Texte zu den markierten Punkten.

Orte der Bonner Republik in NRW

Interdisziplinäres und transkulturelles Projekt der „Moderne im Rheinland“/des Zentrums für Rheinlandforschung

Von 1949 bis 1991 war Nordrhein-Westfalen Gastland für die Bonner Republik. Im interdisziplinären und transkulturellen Projekt „Orte der Bonner Republik in NRW“ erforschen Wissenschaftler*innen der „Moderne im Rheinland“/des Zentrums für Rheinlandforschung die Kulturtopographie der durch den Verbund Bonn-Düsseldorf-Brüssel abgesteckten Hauptstadtregion als Erinnerungsraum und geben dieser mit einem visualisierten Erinnerungsarchiv für die neuere Kultur-, Gesellschafts- und Landesgeschichte NRWs eine digitale Plattform. Gefördert wird das Projekt vom Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen.

Sesshaftwerden im Provisorium

1949 wurde Bonn zur Bundeshauptstadt erklärt. Doch ihrem Selbstverständnis nach, ebenso wie dem der internationalen Politik im Kontext der Gründungszusammenhänge nach Ende des Zweiten Weltkriegs, war diese „Hauptstadt“ zunächst als „Provisorium“ vorgesehen.Im Spannungsfeld der Geschichte von der Errichtung des Eisernen Vorhangs bis zu den Ostverträgen verschob sich dieses Verständnis und führte zur Genese einer mental map, die dieser Bonner Republik erst ihr genuines Gepräge verlieh: In einem rund vierzig Jahre währenden Prozess vollzog das „Provisorium“ seine Sesshaftwerdung. Auch oder gerade weil die Bonner Republik erst retrospektiv als historische Einheit der Jahre 1949 bis 1991 erscheint, existiert schon heute eine Erinnerungskultur an diese einmalige, die Geschichte NRWs und die der Bundesrepublik eng verzahnende Ära. Eine kulturtopographische Erarbeitung der Erinnerungsorte dieser Zeit ist angesagt, wobei Ort nicht allein geografisch verstanden wird, sondern begrifflich sowohl literarische, künstlerische oder diskursive Kristallisationsmomente umfasst. Das Projekt unternimmt es deshalb, für diesen besonderen historischen Zeit-Raum im realen Raum des Landes NRW eine Auswahl an Orten aus jener mental map zu treffen, die geeignet sind, den Prozess der Sesshaftwerdung der Bonner Republik nachvollziehbar zu machen und zugleich ein markantes Narrativ über die Bonner Republik in NRW zu etablieren.

Bonner Republik – eine Metapher

Verstanden wird die Bonner Republik dabei nicht zuletzt als Metapher für einen Erinnerungsraum. Die Gliederungsebenen – Geschichte, Topographie und Biographie – werden von Sinneinheiten besetzt, wobei gegenwärtig die Tendenz besteht, diese konservativ aufzuladen. Das scheint aber eine politische Indienstnahme, die dem historischen Zeitraum nicht gerecht wird. Von Bonn aus sind die ersten Orte schnell benannt: In Bonn selbst stehen die Gebäude, in denen die Bundesrepublik Deutschland beginnt, nah beieinander: z.B. die Pädagogische Akademie, in der ab September 1948 der Parlamentarische Rat tagte, oder das Palais Schaumburg, das durch seine repräsentative Architektur von 1949-1976 als Kanzleramt fungierte. Das Ziel unseres Projektes ist es jedoch, eine darüber hinaus gehende Vielfalt von Erinnerungen zur Bonner Republik abzubilden, u.a. solche, die in den bestehenden Informationsangeboten nicht enthalten sind, bzw. solche, die in diesen als kanonisch gelten, kritisch gegenzulesen. Bei der Auswahl der Orte geht es nicht um nationale Repräsentanz, sondern um regionale Relevanz. Es geht um einen kritischen Blick, der die NS-Kontinuität ebenso einbezieht, wie die wichtige Rolle, die die Neuen Sozialen Bewegungen für das Selbstverständnis einer demokratischen Gesellschaft bereitstellen. Form, Schönheit, Ästhetik, poetische Verdichtung spielen im Erinnerungsprozess eine besondere Rolle. In unserem Projekt verstehen wir die Bonner Republik als ein narratives Konstrukt, das dort besonders gut trägt, wo durch den Mehrwert des Künstlerischen Inhalte verdichtet sind.

Multidirektional statt Monodirektional

Dabei will das multidirektional und -perspektivisch angelegte Projekt seine Erkenntnisse nicht nur monodirektional in die Öffentlichkeit bringen, sondern unter Berücksichtigung von Ansätzen der citizen science zwischen Forschung und Wissenschaftskommunikation vermitteln. Ein Forum dafür bietet die digitale Projektbasis Orte der Bonner Republik, die die Erkenntnisse über ausgewählte Orte, anhand derer sich die Konstruktion der Region erzählen lässt, sammelt und in einer sowohl räumlich als auch zeitlich korrespondierenden Landkarte erfahrbar macht. Dabei fügen der Plattform nicht nur die unmittelbar am Projekt beteiligten Wissenschaftler*innen bzw. externe Expert*innen stetig neue Orte respektive Spuren hinzu, auch interessierte Bürger*innen sind dazu aufgerufen, das Projekt durch ihre jeweiligen Orte der Bonner Republik zu bereichern. Darüber hinaus wird die Entwicklung der digitalen Narrative auch mit analogen Formen der Vermittlung verknüpft, etwa durch die im Februar 2023 in Kooperation mit dem Forschungsverbund „Bonner Republik“ an der HHU Düsseldorf abgehaltene Tagung Strategien des Temporären, Legitimation des Dauerhaften. Die Konsolidierung der Bonner Republik in NRW im Haus der Universität.

Literaturangabe:

1Zur Positionierung der Bonner Republik als Provisorium vgl. Gertrude Cepl-Kaufmann, Jasmin Grande et al.: Die Bonner Republik als Forschungsschwerpunkt. Zur Konzeption eines Forschungsthemas im Kontext von Wissenschaft und Öffentlichkeit im 21. Jahrhundert. In: Dies.: Die Bonner Republik 1945-1963. Band 1. Bielefeld 2018, S. 17-34. Zur Begriffsbildung vgl. Axel Schildt: Abschied vom Westen? Zur Debatte um die Historisierung der „Bonner Republik“. In: Blätter für deutsche und internationale Politik, 10 (2000), S. 1207-1212; Manuel Becker: Geschichtspolitik in der ‚Berliner Republik‘: Konzeptionen und Kontroversen. Wiesbaden 2013; zur Geschichte der BRD vgl. Guido Thiemeyer: Die Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Zwischen Westbindung und europäischer Hegemonie. Stuttgart 2016.


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