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Screenshot der Homepage Max-Hermann-Neiße Edition mit Namen Zeitungsnamne, Büchertiteln und Namen von Regisseuren

Digitale Edition Max Herrmann-Neiße: Kritiken und Essays (1909–1939)

Dichterkritiker in der Nachfolge Alfred Kerrs

Max Herrmann-Neiße (1886–1941) gehört Anfang des 20. Jahrhunderts zu der weit verbreiteten Spezies des Dichterkritikers, die nicht zwischen Literatur und Kritik unterscheidet und Kritik nach ihrem Vorbild Alfred Kerr als eine Form der literarischen Praxis begreift. Der so verstandene Kritiker ist Anwalt der Literatur, die er mit seiner „verstehenden Kritik“ noch einmal neu erschafft, wie es Max Herrmann-Neiße z. B. in seinen Kritiken der Lyrik seiner Dichterfreundin Else Lasker-Schüler vorführt.

Beobachtungen der kulturellen Szene zwischen Breslau, Berlin und London

Zwischen 1909 und 1939 arbeitet der überwiegend als Lyriker tätige, aus dem schlesischen Neiße (heute: Nysa) stammende Autor in Berlin als Literatur-, Theater- und Kabarettkritiker und wird damit zu einem genauen Beobachter des Nebeneinanders wie des schnellen Wechsels literarischer Richtungen der Moderne sowie der vielfältigen kulturellen Szene der Hauptstadt in den 1920er und 1930er Jahren.

Neben der hochkulturellen Theaterszene dokumentiert er als erster mit seinen Kabarettkritiken im Berliner Tageblatt die Berliner Unterhaltungskultur. So ist er regelmäßig Gast im Schall und Rauch, der Wilden Bühne, dem Charlott-Casino oder dem Kabarett der Komiker. Mit Besprechungen über Programme und Vorstellungen von Künstler:innen wie Karl Valentin, Lisl Karlstadt, Paul Graetz, Walter Mehring, Joachim Ringelnatz und Claire Waldoff liefert Herrmann-Neiße ein reichhaltiges Material zu einer Kulturgeschichte des (Berliner) Kabaretts.

Nahezu alle kanonisierten Autor*innen der europäischen Literatur, aber auch viele vergessene hat Hermann-Neiße rezensiert, darunter Peter Altenberg, Sherwood Anderson, Bertolt Brecht, Gottfried Benn, Max Brod, Alfred Döblin, Anatole France, Leonhard Frank, Claire und Yvan Goll, Gerhart Hauptmann, Hermann Hesse, Arthur Holitscher, Franz Kafka, Else Lasker-Schüler, Heinrich und Thomas Mann, Walter Mehring, Alfred Polgar, Joseph Roth, Kurt Schwitters, Walter Serner, Upton Sinclair, Carl Sternheim, Jonathan Swift, Kurt Tucholsky, Alfred Werfel, Emile Zola.

Insgesamt sind 68 Theaterkritiken, 73 Kabarettkritiken und 680 Literaturkritiken, dazu Kunst- und Musikkritiken sowie einige größere literaturpolitische und kunsttheoretische Essays und Autorenporträts überliefert. Seine Kritiken erscheinen in insgesamt 26 Zeitungen von der Breslauer Zeitung, den beiden großen Berliner Zeitungen, Berliner Börsen Courier und Berliner Tageblatt, dem Kölner Tageblatt, der Frankfurter Zeitung und der Prager Presse sowie in insgesamt 52 Zeitschriften.

Zunächst nimmt er Teil an frühexpressionistischen Projekten wie Oskar Kahnels Wiecker Bote, René Schickeles Die weissen Blätter, Zeit-Echo, Der Mistral, Walter Serners Sirius, Marsyas, Der Zwinger, Die Lebenden, Der Strom und beliefert regelmäßig die Hauszeitschrift des Fischer-Verlags Die neue Rundschau. Mit Beginn des Ersten Weltkriegs verlagert sich sein Engagement zunehmend in den politischen Bereich, ab 1918 publiziert er prominent an der Seite von Franz Pfemfert in dessen Zeitschrift Die Aktion. Außerdem beliefert er die Neue Bücherschau und den Neuen Merkur. Dazu ist er als Vermittler zwischen dem Zentrum und der östlichen Peripherien des Deutschen Reiches in der von Armin T. Wegener herausgegebenen Zeitschrift Der Osten, der von Walther Rilla in Breslau geleiteten Zeitschrift Die Erde, dem Oberschlesier, den Werbern, den Schlesischen Büchern und den Schlesischen Monatsheften tätig. Sein Geburtsort Neiße, den er seinem Namen hinzufügt, wird zu seinem Markenzeichen als Kritiker.

In den 1930er Jahren und aus dem Londoner Exil schreibt er zuletzt für die Literarische Welt, Das neue Tage-Buch und Die Sammlung, den Weißen Raben, die Weltbühne und Das Wort.

Digitale Edition des publizistischen Werks

Die digitale Edition der Kritiken und Essays 1909–1939 von Max Herrmann-Neiße basiert auf der dreibändigen Printedition Kritiken und Essays (1909–1939), die in den Jahren 2021/22 im Aisthesis Verlag, Bielefeld, erschienen ist. Sie versammelt alle bisher auffindbaren, zu Lebzeiten des Autors publizierten Literatur-, Kunst-, Theater- und Kabarettkritiken sowie Essays in Zeitungen, Zeitschriften, Monographien oder Publikationsreihen, nicht nachgewiesene und unidentifizierte Drucke aus verschiedenen Klebeheften aus Teilnachlassen in der Universitäts- und Landesbibliothek Münster und dem Deutschen Literaturarchiv Marbach sowie Handschriften und Typoskripte von unpublizierten bzw. im Druck bisher nicht nachweisbaren Texten aus dem Nachlass. Darunter finden sich drei umfangreiche und für die kritische Tätigkeit des Autors zentrale Handschriften: der erste überlieferte Entwurf zu einer Theaterzeitschrift unter dem Titel Theater-Nachricht (1899), eine umfangreiche Stellungnahme zur Auseinandersetzung um Gerhart Hauptmanns Festspiel in deutschen Reimen, das anlässlich der Hundertjahrfeier der Befreiungskriege im Rahmen der Eröffnung der Breslauer Jahrhunderthalle (1913) uraufgeführt wurde, und ein großer, Fragment gebliebener Essay über Heinrich Mann (1916).

Das Max Herrmann-Neiße Portal

Die digitale Edition präsentiert neben dem edierten Text jeweils die dazugehörige Textgrundlage als Handschrift, Typoskript oder Erstdruck in Zeitungen oder Zeitschriften. Die rezensierten Werke und besprochenen Aufführungen werden dazu über weitreichende Metadaten nachgewiesen und erschlossen.

Das Portal verfügt über ein Personen-, Werk-, Orts-, Körperschafts- und Periodikaregister. In die Register haben zum einen alle bibliographischen Daten zu den Kritiken und Essays, den rezensierten Werken und besprochenen Aufführungen Aufnahme gefunden. Zum anderen verzeichnen die Register Personennamen, Werktitel, Orte und Körperschaften, die in den einzelnen Texten erwähnt werden. Damit gehen die Register in der Breite der aufgenommenen Daten und der Datenmenge weit über die allgemeinen Metadaten zu den einzelnen Texten hinaus. Alle Registereinträge sind mit dem jeweiligen Eintrag in der Gemeinsamen Normdatei (GND) der Deutschen Nationalbibliothek verknüpft. Darüber hinaus konnten neue GND-Einträge insbesondere zu Personen generiert werden, die als Opfer des Nationalsozialismus aus dem kulturellen Gedächtnis gelöscht wurden.

Das Werkregister enthält sowohl alle edierten Texte als auch alle in den Texten besprochenen und erwähnten Einzelwerke, Reihen, Einzeltitel in Werken wie Einzelbeiträge, Erzählungen oder Gedichte sowie Dramen, Operetten, Musiktitel oder Kabarettnummern und -programme.

Im Ortsregister sind nach GND Geografika wie Länder, Städte, Landschaften, historische Stätten sowie Stadtteile, Straßen und Plätze in Berlin u. a. verzeichnet.

Das Körperschaftsregister enthält Verlage, Druckereien, Theater, Künstlervereinigungen, Ensembles, Institutionen, Organisationen und Parteien u. a. nach GND.

Im Register der Periodika sind Publikationsorgane verzeichnet, in denen die edierten Texte erschienen sind oder die in den Kritiken und Essays Erwähnung finden.

Über differenzierte Suchparameter können vielfältige Suchanfragen gestellt und so verschiedenste Nutzungen des Materials realisiert werden.

Die Printedition der Kritiken und Essays wurde von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien und die digitale Edition von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert.

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