Auf einen kurzen Kaffee mit ...
Stefan Reiners-Selbach, Koordination Digital Humanities
Stefan Reiners-Selbach ist seit Oktober 2020 Koordinator für Digital Humanities an der Philosophischen Fakultät. Zuvor hat er an der Ruhr-Universität Bochum Germanistik, Philosophie und Bildungswissenschaften studiert und arbeitet seit 2018 an seinem Promotionsprojekt in der Wissenschaftstheorie und -geschichte. Er ist verheiratet und lebt mit Frau und Hund in Herne.
Kaffee trinkt er gerne schwarz und viel.
Koordination und Beratung machen einen Großteil meiner Tätigkeit aus: Mit Kolleg*innen sprechen, sie miteinander in Kontakt bringen, um so zu helfen, Forschung auf den Weg zu bringen. Daneben versuche ich in der Lehre und in Workshops, Studierende und Kolleg*innen für digitale Methoden zu begeistern. Zwischendurch versuche ich, etwas Zeit für die Arbeit an meiner Promotion oder anderen Forschungsprojekten zu finden – hier beschäftige ich mich derzeit zum Beispiel damit, wie mithilfe von Layoutanalysen die Entwicklung der theoretischen Biologie von einer philosophischen zu einer eher mathematischen Disziplin untersucht werden kann.
Die Relevanz der Digital Humanities (DH) für die Geisteswissenschaften ist durchaus groß, weil Prozesse der Digitalisierung immer mehr unserer Lebenslagen betreffen – und letztlich sind die DH nur die Konsequenz der Digitalisierung in den Geisteswissenschaften. In der Lehre müssen wir die Studierenden auf die gesellschaftliche Lebenswelt und auch den Jobmarkt des 21. Jahrhunderts vorbereiten – Stichwort Digital bzw. Data Literacy. Hier können die DH einen entscheidenden Beitrag leisten. Doch insbesondere auch in der Forschung ermöglichen die DH uns neue Perspektiven. Und diese sollten ebenfalls schon Studierende kennen und einschätzen lernen. Gleichzeitig bieten die DH großartige Anknüpfungspunkte für fächerübergreifende Kooperation.
Die DH machen Fragen möglich, die vorher unmöglich waren: Wir können unmöglich 1000 Romane, 482 Aufsätze oder alle Tweets zu einem viralen Thema lesen und dann noch sinnige Aussagen über deren Inhalte treffen. Mit digitalen Methoden ist das möglich. Gleichzeitig stehen durch Digitalisierungsprojekte – in denen wir uns auch ständig fragen müssen, wie wir welche Daten aufnehmen – mehr und mehr geisteswissenschaftliche Daten zur Verfügung, auf die wir zugreifen können. Diesen riesigen Datenmengen können wir – in einem ersten Schritt – nur mit digitalen Methoden gerecht werden.
Das ist eine sehr gute Frage! Ich denke, das Gegenteil ist der Fall: Die Methoden der DH stellen meines Erachtens ‚nur‘ eine Erweiterung unseres Werkzeugkastens für die Geisteswissenschaften dar. Vielmehr werden wir uns eingehender mit unseren ‚traditionellen‘ Methoden beschäftigen, um gezielter entscheiden zu können, in welchen Fällen oder Phasen eines Forschungsprozesses diese traditionellen oder aber digitale Methoden besser geeignet sind. Solche Mixed-Methods-Ansätze, die sich sowohl traditioneller als auch digitaler Methoden bedienen, sind wahrscheinlich die Zukunft.
Ich war total begeistert als ich an die Philosophische Fakultät gekommen bin: Viele Kolleg*innen arbeiten schon mit digitalen Methoden, erfassen spannende Datensätze in Datenbanken und thematisieren Prozesse der Digitalisierung in der Lehre. Gleichzeitig sind die digitalen Methoden ständig im Wandel – aber auch hier erlebe ich die Kolleg*innen als sehr aufgeschlossen und an Neuem interessiert.
Irgendwie tendiert man ja immer dazu, die Möglichkeiten von Neuem zu überschätzen. Aber auch ethische Probleme der Künstlichen Intelligenz (KI) sind im gesellschaftlichen Diskurs schon präsent. Grundsätzlich existiert das Risiko, dass wir unsere Vorurteile und Biases KIs antrainieren. Das kann zu einem ethischen, aber eben auch zu einem wissenschaftlichen Problem werden. Gleichzeitig glaube ich, dass wir uns in den Geisteswissenschaften häufig an der Grenze dessen bewegen, was mit digitalen Methoden überhaupt erfassbar ist: Adressat*innen von Kunst, Sprache und Kultur im Allgemeinen sind und bleiben Menschen. Ein Computer kann nicht verstehen oder erleben, das können nur wir – und das macht doch die Geisteswissenschaften aus. Das muss beim Arbeiten mit digitalen Methoden immer bewusst sein.
Ich versuche eine kurze Antwort: Die Universität der Zukunft ist fairer, diverser und kritischer. Ihr gelingt es, Studierende gerechter zu fördern und zu fordern, Mitarbeiter*innen fairere Verträge zu geben und aktiver den gesellschaftlichen Diskurs mitzugestalten.
Ich wollte eigentlich immer Lehrer werden, habe im Studium aber entdeckt, dass mir Forschung und Lehre an der Uni noch viel besser gefallen. Wenn mir aber früher mal jemand gesagt hätte, dass man dafür Klavier spielen können muss, hätte ich wahrscheinlich Musik studiert und würde jetzt vielleicht an einer Musikschule unterrichten.
Das Gewächshaus im Botanischen Garten ist ein großartiger Ort, eine kleine Welt in sich.
Small Gods von Terry Pratchett. Oder gleich alle Discworld-Novels.
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Die Wissenschaftskommunikation der Philiosophischen Fakultät
Autorin: Andrea Rosicki