Zum Inhalt springenZur Suche springen
Uni.-Prof. Dr. Ulli Seegers verleiht Dr. Jessica Nieder den Preis für die beste Dissertation 2021

Dr. Jessica Nieder erhält Preis für die beste Dissertation 2021 im Rahmen des Festakts für die Promovierten der Philosophischen Fakultät

Im festlichen Rahmen der Promotionsfeier im Haus der Universität ehrte die Philosophische Fakultät ihre 44 Promovierten des Jahres Sommersemesters 2021 sowie des Wintersemesters 2021/22. Ein Höhepunkt des Abends war die Auszeichnung von Dr. Jessica Nieder, die den internen Preis der Philosophischen Fakultät für die beste Dissertation 2021 erhielt.

Eine erfolgreich absolvierte Doktorarbeit ist rückblickend häufig auch mit einer sehr emotionsreichen Zeit verbunden. Selbstdisziplin und Durchhaltevermögen gehören genauso dazu wie ein gutes Zeit- und Projektmanagement. Daher ist es mehr als wohlverdient, wenn der Erfolg der Promovierten und ihrer herausragenden wissenschaftlichen Arbeiten mit einem festlichen Akt gebührlich geehrt wird.

Eröffnet wurde der Abend durch die Prodekanin der Philosophischen Fakultät Univ.-Prof. Dr. Ulli Seegers. Sie betonte die Bedeutung von Wissenschaft gerade in einer Zeit, in der ihre Erkenntnisse vielfach angezweifelt werden, und machte den frischgebackenen Doctores Mut, sich von Populismen unterschiedlichster Couleur nicht beirren zu lassen und weiterhin einen couragiert-kritischen Weg zu gehen.

Die unterschiedlichen Sichtweisen einer Doktorin und einer Betreuenden beleuchteten Katharina Hülsmann, promoviert im Fach Modernes Japan sowie Univ.-Prof. Dr. Andrea von Hülsen-Esch vom Institut für Kunstgeschichte. Der Politikwissenschaftler Constantin Wurthmann und die Romanistin Dr. Christina Grieb-Viglialoro gaben in unterhaltsamen Slam-Beiträgen einen Einblick in ihre jeweiligen Dissertationsthemen.

Fakultätspreis für die beste Dissertation 2021 geht an Dr. Jessica Nieder

Mit dem Preis der besten Dissertation 2021 der Philosophischen Fakultät wurde die Sprachwissenschaftlerin Jessica Nieder für ihre Arbeit „Maltese Plurals: Phonotactics, Variation and the Structure of the Mental Lexicon“ ausgezeichnet. Erstbetreuer der Dissertation war Prof. Dr. Ruben van de Vijver vom Institut für Sprache und Information. Verliehen wurde der Preis von Prodekanin Uni.-Prof. Dr. Ulli Seegers.

Nieder beschäftigte sich in ihrer kumulativen Dissertation mit der komplexen, variationsreichen Pluralbildung des Maltesischen. Das Maltesische, eine semitische Sprache gesprochen in Malta, zeigt eine große Anzahl an linear gebildeten sound Pluralen und nicht-nichtlinear gebildeten broken Pluralen: Der sound plural von annimal ‘Tier’ ist annimali (= annimal + i ), während der broken plural von kelb ‘Hund’ klieb ist. Insgesamt stehen maltesischen Sprecher*innen 11 verschiedene nicht-lineare und 12 verschiedene lineare Möglichkeiten zur Verfügung, um den Plural eines neuen Wortes zu bilden. 

Forschung mit psycholinguistischen Experimenten und computationellen Methoden

Durch psycholinguistische Experimente und computationelle Methoden untersuchte Nieder in den drei Studien ihrer Dissertation, welche Faktoren dabei für die maltesische Pluralbildung ausschlaggebend sind. Eine zentrale Rolle spielt dabei die Frage ob lineare Plurale wie annimal + i und nicht-lineare Plurale wie klieb aufgrund ihrer unterschiedlichen morphologischen Beschaffenheit in gleicher Art und Weise oder in unterschiedlicher Art und Weise kognitiv verarbeitet werden.

Die erste Studie nutzt ein Produktionsexperiment, um die Bildung eines Plurals auf Basis des Singulars zu testen. Es wird gezeigt, dass maltesische Sprecher*innen ihr Wissen über existierende Singulare und die Häufigkeit bestimmter Pluralformen für die Generalisierung auf neue, unbekannte Wortformen nutzen. Innerhalb einer zweiten Studien wird die Verarbeitung maltesischer Nomen mit einem Experiment, in welchem die Reaktionszeiten auf maltesische Plurale festgehalten worden sind, untersucht. Die Ergebnisse zeigen keine Unterschiede zwischen den Reaktionszeiten der verschiedenen Plurale (sound vs. broken). Dies spricht für eine ähnliche kognitive Verarbeitung, bei der erneut die Häufigkeit bestimmter Pluralformen einen wichtigen Faktor darstellt. Die dritte Studie testet ein Wortform-basiertes Modell der Sprachverarbeitung, bei welchem eine kognitive Verarbeitung in gleicher Art und Weise angenommen wird. Mit Hilfe verschiedener computationeller Modelle wird erwiesen, dass eine Klassifikation und Produktion maltesischer Nomen ohne Zugriff auf einzelne Wortkomponenten möglich ist, eine gleiche Verarbeitung also wahrscheinlich ist.

Die Dissertation kommt zu dem Schluss, dass maltesische Plurale in gleicher Art und Weise kognitiv verarbeitet werden und Wortformen somit als Ganzes, ohne eine Dekomposition in einzelne Wortkomponenten, im mentalen Lexikon der Sprecher gespeichert sind.

Prof. Dr. Ruben van de Vijver zu dieser hervorragenden Dissertation:

„Die Dissertation von Dr. Jessica Nieder beschäftigt sich mit der Frage, wie komplexe Wörter, wie Plurale, im Gedächtnis gespeichert werden. Dieser Frage geht Nieder anhand von Daten aus dem Maltesischen nach, in dem Plurale durch Änderungen in der Silbenstruktur (fardal “Schürze” fraadal “Schürzen”) oder auch durch Extra-Material am Ende des Wortes (umm “Mutter” ummijiet “Mütter”) ausgedruckt werden können. Diese Komplexität macht die Sprache zur Herausforderung für jede theoretische Erklärung.

Nieder hat in Ihrer Dissertation Einsichten und Methoden aus der theoretischen Linguistik, Psycholinguistik und Computerlinguistik kombiniert, um die zentrale Frage zu beantworten. Diese methodologische und theoretische Breite der Arbeit ist wegweisend für die Linguistik: komplexe Fragen lassen sich nicht in theoretischer oder methodologischer Isolation beantworten, sondern bedürfen einer Kombination von modernen, komplexen Methoden. 

Die hohe Qualität der Dissertation wird auch dadurch unterstrichen, dass die Ergebnisse in hochrangigen, internationalen Zeitschriften erscheinen sind.“

Verantwortlichkeit: