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Momentaufnahme der Veranstaltung, Interview

GEGEN DAS VERGESSEN – Erfolgreiches Kurzgeschichtenfestival mit sechs Autor*innen und sieben Übersetzenden aus dem HHU Masterstudiengang Literaturübersetzen

Am Wochenende des 23. bis 25. April 2021 fand ein von stimmen afrikas in Kooperation mit dem Masterstudiengang Literaturübersetzen ausgerichtetes Literaturfestival statt. In sechs Veranstaltungen wurden sechs Kurzgeschichten von Autor*innen aus afrikanischen und afrodiasporischen Kontexten vorgestellt – mit dabei Sinzo Aanza (DR Kongo), Nafissatou Dia Diouf (Senegal), Karen Jennings (Südafrika), Jennifer N. Makumbi (Uganda), Olumide Popoola (D/ Nigeria), Jo Güstin (Kamerun).

Lebendiger Austausch mit zahlreichen Beteiligten

Das Besondere der Veranstaltung war, dass die französisch- und englischsprachigen Geschichten von Studierenden des Masterstudiengangs Literaturübersetzen der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf ins Deutsche übertragen wurden. In den Live-Streams kamen die Autor*innen mit ihren Übersetzerinnen und etablierten Moderator*innen aus der afrodeutschen Community – unter anderem der Autorin Elisa Diallo und der Singer/Songwriterin Mariama Jalloh – ins Gespräch. Schauspieler*innen wie Dela Dabulamanzi, Robin Lynn Gooch und Karmela Shako lasen aus den übersetzten Geschichten. Auch das Publikum konnte sich per Chat an den Diskussionen beteiligen.

Das Festival brachte die erste Phase der insgesamt auf drei Jahre angelegten Kooperation BLICK IN DIE ZUKUNFT – GEGEN DAS VERGESSEN von stimmen afrikas / Allerweltshaus Köln e.V. und dem Masterstudiengang Literaturübersetzen der HHU zum Abschluss. In dieser Phase standen Kurzgeschichten im Mittelpunkt, die den Blick in die Vergangenheit richten und sich gegen das Vergessen wenden.  

Blick in die Zukunft: Weitere Veranstaltungen und eine dreisprachige Anthologie

In einer zweiten Phase von Mai bis Dezember 2021 entstehen von denselben Autor*innen, im Auftrag von stimmen afrikas und der HHU, ganz neue Kurzgeschichten, die den „Blick in die Zukunft“ wagen. In Rahmen des Projekts boten die Autor*innen bereits 2020 Workshops an der HHU an; weitere Veranstaltungen an der HHU und andernorts sind für 2021 geplant. Direkt weiter geht es in diesem Sommersemester bereits am 5. Mai mit der kamerunischen Schriftstellerin Jo Güstin. Zum Abschluss des Projekts werden in einer dreisprachigen Anthologie in der Reihe „Düsseldorf übersetzt“ insgesamt 12 Kurzgeschichten jeweils in der Originalsprache sowie in der deutschen Übersetzung erscheinen.

Projekt lädt zum Austausch mit afrikanischen Intellektuellen und Künstler*innen ein

Europäer*innen sind immer noch daran gewöhnt zu entscheiden, welches Bild von Afrika in unseren globalen Horizont passt. Dabei waren und sind die Beziehungen zwischen Europa und Afrika oftmals vom Unrecht der kolonialen Vergangenheit geprägt. Das Projekt lädt dazu ein, den Austausch mit afrikanischen Intellektuellen und Künstler*innen zu suchen: schreibend, übersetzend, debattierend. In der Zusammenschau von BLICK IN DIE ZUKUNFT – GEGEN DAS VERGESSEN werden die Verwobenheit von Vergangenheit und Zukunft ebenso ersichtlich wie regionale und kulturelle Besonderheiten und ganz individuelle Zugänge. Durch den Fokus auf den Übersetzungsprozess werden auch Einblicke in diese hochsensible Arbeit ermöglicht, die gleichzeitig einen Verständigungsprozess zwischen Afrika und Europa darstellt. 


Fünf Fragen - Fünf Antworten

Im Gespräch: Lena Sofie Riebl, Masterstudentin Literaturübersetzen.

Lena Sofie Riebl befindet sich im vierten Semester ihres Masterstudiums. Sie übersetzt aus dem Englischen und aus dem Französischen ins Deutsche. Für das Festival hat sie den französischsprachigen Text „La fête et l’ombre“ (in ihrer Übersetzung: Das Festmahl und der Schatten“) von Sinzo Aanza, einem Autor, Dramaturg und bildenden Künstler aus der DR Kongo, übersetzt. Im Zuge des Projektes haben die Studierenden gemeinsam mit den Autor*innen Übersetzungsworkshops organisiert, in deren Rahmen inhaltliche Fragen zu den Texten, aber auch kulturelle Hintergründe angesprochen wurden. Besonders spannend war für Riebl, im Workshop einen Teil des Originaltexts von Sinzo Aanza selbst gelesen zu hören. „Der Text arbeitet sehr viel mit Rhythmus und Klang, die ich dadurch noch besser erfassen und hoffentlich auch besser ins Deutsche übertragen konnte. Auch in den Übersetzungsseminaren im Studiengang haben wir uns intensiv über die Texte ausgetauscht, das war sehr wertvoll“.

Leider finden afrikanische Literaturen auf dem deutschen Buchmarkt noch immer viel zu wenig Beachtung und werden wenig übersetzt. Die meisten Autor*innen werden erst wahrgenommen, nachdem sie sich bereits auf dem englischsprachigen Markt etabliert haben. Da agieren deutsche Verlage, wie ich finde, leider oft recht konservativ. So ergibt sich auch in dem sehr weiten Feld der afrikanischen Literaturen weitere Ungleichheiten: englischsprachige Literaturen haben es beispielsweise leichter, weltweit und im deutschsprachigen Raum wahrgenommen zu werden, als Literaturen in anderen Sprachen. Umso schöner, dass es Menschen und Projekte gibt, die sich dafür einsetzen, eine größere Bandbreite von Literaturen in Deutschland bekannter zu machen, wie beispielsweise unsere Kooperationspartner in diesem Projekt, stimmen afrikas / Allerweltshaus Köln e.V.

Das ist tatsächlich immer ein Abwägen, und eine Frage, die man gar nicht so allgemein, sondern nur je nach Text und auch je nach Zielpublikum beantworten kann: Bringt man den Text zur Leserschaft oder die Leserschaft zum Text? Gerade im Kontext des Austauschs zwischen Afrika und Europa können das auch höchst politische Entscheidungen sein: Inwieweit man die Kunst einiger Kulturen an die Erwartungen eines Publikums aus einer anderen Kultur anpasst, setzt ja auch ein Zeichen und spiegelt potenziell ungleiche Machtverhältnisse wider. Aber auch generell bin ich der Meinung, dass man Leser*innen auch ein bisschen herausfordern darf: Beim Lesen auf zunächst fremde oder unverständliche Details zu stoßen, weckt hoffentlich ja auch Neugierde und ein Interesse, Hintergründe oder kulturelle Kontexte weiter zu ergründen.

Auch hier gibt es keine generelle Regel, kein richtig oder falsch. In den meisten Fällen denke ich aber: Wenn in einem Text Mehrsprachigkeit vorkommt, ist das ein wichtiges Element des Textes, das zeigt, dass sich die Figuren in einem mehrsprachigen Kontext bewegen, es spiegelt den Sprachgebrauch in einer Region und dadurch sogar ihre Geschichte wider. Deshalb wäre mir wichtig, dass dieses Element auch in der Übersetzung wiederzufinden ist. Jennifer Nansubuga Makumbi, eine der am Projekt beteiligten Autorinnen, arbeitet beispielsweise mit Begriffen auf Luganda. Auch hier war der Kontakt zur Autorin selbst hilfreich, weil diese Begriffe teilweise nicht einfach zu recherchieren waren.  Die Übersetzerin hat letztendlich aber die Originalbegriffe im deutschen Text übernommen, im Kontext sind sie im Text trotzdem verständlich. Wenn es Verständnisprobleme gibt, kann man Mittel wie Fußnoten oder erklärende Einschübe in Erwägung ziehen. Aber auch diese kann man sehr kontrovers diskutieren: Wie viel Freiheiten sollten Übersetzer*innen eigentlich haben, wie tief dürfen sie in einen Text eingreifen?

Auch hier arbeiten wir natürlich im Studiengang und im Projekt in einer Luxussituation, in der wir uns immer durch Dozierende, andere Studierende und sogar die Autor*innen rückversichern können. Das ist in der Verlagswelt meistens nicht der Fall, Lektor*innen sind ja auch nicht unbedingt Expert*innen für die Originalsprache oder den kulturellen Kontext. Da muss man bei der Recherche auch manchmal kreativ werden: so können Muttersprachler*innen beispielsweise einen Einblick geben, welche Assoziationen mit einer bestimmten Redewendung verknüpft werden, Google Maps und Google Earth können dabei helfen, ein Gespür für bestimmte Orte und Distanzen zu bekommen.

Da ist es wirklich schwierig, sich auf wenige Autor*innen zu beschränken, da afrikanische Literaturen so vielfältig sind. Natürlich gibt es einige Klassiker wie Nagib Mahfuz, Nadine Gordimer, Teju Cole oder Chimamanda Ngozi Adichie. Aber es gibt noch so viel mehr zu entdecken, wie zum Beispiel auch die am Projekt beteiligten Autor*innen: Jennifer Nansubuga Makumbi hat zum Beispiel erst letztes Jahr ihren zweiten Roman veröffentlicht, „A Girl Is a Body of Water“, der ist wirklich toll. Wer sich für zeitgenössische afrikanische Literaturen interessiert, dem kann ich auch empfehlen, sich durch die Reihe AfrikAWunderhorn zu stöbern, da habe ich kürzlich zum Beispiel den nigerianischen Autor E.C. Osondu für mich entdeckt.


Der Masterstudiengang Literaturübersetzen wird für dieses Projekt von der Kunststiftung NRW gefördert. Einzelne Veranstaltungen werden in Kooperationen mit weitere Partnereinrichtungen in Düsseldorf und der Region durchgeführt. Die Projektleitung unterliegt Prof. Dr. Birgit Neumann, PD Dr. Vera Gerling sowie Dr. Eva Ulrike Pirker.

Alle Infos zum Projekt und zu den weiteren Veranstaltungen finden Sie hier.

Auf dem Titelbild sind zu sehen (von links): Moustapha Diallo (Moderation), Sinzo Aanza (Autor), Lena Sofie Riebl (Masterstudentin Literaturübersetzen)


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Interview: Andrea Rosicki