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Blaue Leuchtschrift: Meet me for Coffee

Auf einen kurzen Kaffee mit ...

Prof. Dr. Ulli Seegers, Prodekanin der Philosophischen Fakultät

Prof. Dr. Ulli Seegers hat in München und Bochum Kunstgeschichte, Philosophie und Literaturwissenschaften studiert und wurde 2002 an der Universität Stuttgart mit einer kunsttheoretischen Arbeit zur Ästhetik der Hermetik promoviert. Nach fast zehnjähriger Tätigkeit im internationalen Kunsthandel (Öffentlichkeitsarbeit im Bundesverband Deutscher Galerien sowie Geschäftsführung des Art Loss Registers) führte ihr Weg 2008 über eine wissenschaftliche Mitarbeiterstelle an der Kunsthochschule Kassel zurück an die Universität. Durch den Ruf auf die Juniorprofessur mit Schwerpunkt Kunstvermittlung in Museum und Kunsthandel am Institut für Kunstgeschichte der HHU vollzog sich 2012 auch beruflich die Verklammerung von Theorie und Praxis, von Wissenschaft und Wirtschaft, von inner- und außeruniversitärer Forschung. Dank der 2017 eingerichteten van-Meeteren-Stiftungsprofessur „Kunstvermittlung und Kunstmanagement“ konnte diese Verzahnung institutionell verstetigt und nominell festgeschrieben werden. Ulli Seegers leitet seither den interdisziplinären Masterstudiengang „KuK“ und forscht aktuell zur Ethik im Kunstmarkt. Sie ist verheiratet und lebt in Köln.

Sie trinkt ihren Kaffee pur - schwarz, ohne alles.

Ich freue mich, wenn ich dazu beitragen kann, die gesellschaftliche Relevanz der Philosophischen Fakultät sichtbarer zu machen. Ich bin davon überzeugt, dass gerade die Geisteswissenschaften in der heutigen Zeit so wichtig sind wie nie. Dankbar und froh bin ich, dass mich das wirklich beeindruckende Dekanatsteam so freundlich aufgenommen hat und mich in allem wunderbar unterstützt. Vornehmliche Aufgabe der Prodekanin sind ja vor allem die Promotionsangelegenheiten. Die Förderung der jungen Wissenschaftler*innen ist mir eine besondere Herzensangelegenheit.

Die Corona-Zeit und die damit verbundene Kommunikationsreduktion auf das rein digitale Minimum haben auch in der Fakultät deutliche Spuren hinterlassen. Jetzt gilt es, wieder verstärkt den kollegialen Austausch auf Augenhöhe zu suchen und zu befördern. Also raus aus der „Kachel“ und rein ins Gespräch – von Angesicht zu Angesicht!

Kunst, die mich begeistert, ist nie vordergründig, sondern entzieht sich leichter Konsumierbarkeit. Sie ist eher sperrig und widerständig, fordert Seh- und Denkgewohnheiten heraus, so dass die Betrachtenden sich immer wieder neu dazu verhalten müssen. Kunst als Sand im Getriebe, als eine Art Schluckauf. Herausragende Kunst bildet für mich damit eher eine Beunruhigungskategorie als ein Weichspülprogramm.

Die Frage nach besonderen Kunstrichtungen ist schwierig, zumal wir uns ja heute längst von „Ismen“ verabschiedet haben. So sind es eher die Einzelwerke, die begeistern. In Köln sah ich unlängst ein verstörend-anrührendes Selbstporträt von Paula Modersohn-Becker, das die Betrachterin durch einen durchdringenden Blick geradezu in den Bann schlägt. Auch das vielschichtige Werk von Sigmar Polke begeistert mich immer noch und immer wieder. Zuletzt sah ich auf der Documenta Wandteppiche einer polnischen Künstlerin, die mich immer noch beschäftigen, großartig!

Aktuell ist im Rautenstrauch-Joest-Museum in Köln die Ausstellungsreihe „I miss you“ zu sehen, die das Vermissen, Zurückgeben und Erinnern von Kulturgütern in den Blick nimmt. Vor dem Hintergrund der Debatte um die Rückgabe und koloniale Aufarbeitung der Benin-Hofkunstwerke werden hier nun peu à peu alle 96 Werke aus der Sammlung des Museums aus ganz unterschiedlichen Blickwinkeln gezeigt, absolut empfehlenswert!

Als Optimistin zeichne ich hier natürlich mein Wunschbild einer zukünftigen Universität, denn wenn ich an das Zerrbild glaubte, würde ich mir einen anderen Arbeitsplatz suchen. Universität also als ein Ort, an dem über die engen disziplinären Fachgrenzen hinaus geforscht, gelehrt und diskutiert wird, an dem der wissenschaftliche Diskurs den größten Raum bekommt (und nicht das Schreiben von Anträgen) und Wissenschaftler*innen gemeinsam mit Studierenden Ideen für die Welt von morgen entwickeln. Ein Ort, an dem auch Werte verhandelt, laut über Sinn oder Unsinn nachgedacht und mal gestritten wird. Ein großer konstruktiver „Think tank“, frei von Scheuklappen und Zweckbindung, dafür mit viel Begeisterung und Engagement für die gemeinsame Sache: Wissenschaft.  

Als ich 2012 als Juniorprofessorin an die HHU berufen wurde, gehörte auch eine kleine, aber feine Sachmittelausstattung zu der neuen Stelle. Darüber freute ich mich natürlich. Umso erstaunter war ich zu erfahren, dass ich als Juniorprofessorin aber keine eigene Kostenstelle haben dürfte, um diesen Betrag auch selbst zu verwalten. Für eine ehemalige GmbH-Geschäftsführerin ziemlich starker Tobak! Wie gut, dass sich die Dinge mittlerweile geändert haben (wobei mir MACH auch heute noch geheimnisvoll vorkommt!).

Oha, bei dieser Frage muss ich aufpassen! Tatsächlich erlebe ich den Beruf einer Hochschullehrerin, zumal an einer Universität im Rheinland, als großes Privileg. Wo sonst kann man so selbstbestimmt und frei seine eigenen Inhalte und Arbeitsweisen festlegen? Da ich aber auch die Berufswelt außerhalb der Universität kenne, müsste ich lügen, wenn ich verneinte, dass nicht auch diese Welt ihre Reize hätte. Ergebnisorientiertes Arbeiten, schnelle Mobilität sowie unmittelbare Gestaltungsmöglichkeiten eröffnen einen direkteren Angang von Aufgaben, Projekten und Transformationsprozessen. Da ist die Alma mater doch recht schwerfällig und träge! Damit kein Missverständnis aufkommt: ich habe den tollsten Beruf, den man sich nur vorstellen kann :-).

Ich liebe Sushi und so gehe ich wahnsinnig gern in die Immermannstraße. Zuvor lohnt immer ein Besuch in der Kunstsammlung NRW. Meine letzte Entdeckung war die Neanderkirche ganz in der Nähe, die sich auf der einen Seite hinter einem Biergarten (!) versteckt und auf der anderen nur durch ein Eisentor begehbar ist. Was für eine Oase der Ruhe mitten in der völlig irren Altstadt!  

Navid Kermani, Ungläubiges Staunen. Über das Christentum, München 2015.


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Autorin: Andrea Rosicki

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