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Zeichnung: Frau interviewt Mann

Unsichtbare Sprachen sichtbar machen: Urbane Feldforschung in Düsseldorf

Ein Forschungsprojekt aus dem Institut für Sprache und Information, Abteilung für Allgemeine Sprachwissenschaft

Gefördert durch die Stabsstelle Bürgeruniversität der HHU.

Das Projekt Unsichtbare Sprachen sichtbar machen: Urbane Feldforschung in Düsseldorf verbindet Citizen Science, forschendes Lernen und moderne Wissenschaftskommunikation — und das auf einem Weg, der einfach zu unserer Stadt Düsseldorf passt.

Linguist*innen sind für ihre Arbeit darauf angewiesen, auf authentische Sprachdaten zugreifen zu können. Eine Möglichkeit dafür ist die linguistische Feldforschung, also die direkte Arbeit mit Muttersprachler*innen an einem Ort, wo die jeweilige Sprache gesprochen wird. Wenn man von “Feldforschung” spricht, denken viele Menschen daran, dass Wissenschaftler*innen mit einem großen Rucksack in ferne Länder fahren und fernab der Zivilisation versuchen, Muttersprachler*innen ausfindig zu machen. Aber: Um linguistische Forschung zu spannenden Sprachen zu betreiben, muss man gar nicht auf andere Kontinente reisen. Das geht auch in Düsseldorf!

Düsseldorf ist eine internationale Großstadt, in der viele verschiedene Sprachen gesprochen werden. Manche davon werden allein in Düsseldorf von einigen tausend Menschen gesprochen, sind in der Stadt an vielen Stellen sichtbar und in der Bevölkerung sehr bekannt. Viele andere Sprachen kennt allerdings außerhalb ihrer Sprechergemeinschaft kaum jemand. Für Linguist*innen sind gerade diese Sprachen besonders spannend — und sie haben mehr Aufmerksamkeit verdient. Gemeinsam mit den Sprecher*innen wird daran gearbeitet, ihre Sprachen zu erkunden. Von Anfang an sind dabei die Studierenden des Bachelor und Master Linguistik im Boot. Davon sollen alle drei Seiten profitieren: Die Studierenden können praxisbezogen erlernen und erproben, wie man als Linguist*in arbeiten kann. Wissenschaftler*innen kommen mit möglichen neuen Forschungsansätzen in Kontakt. Sprecher*innen können ihre Sprachen mit professioneller Unterstützung besser kennen lernen, und bekommen die Chance, Menschen für ihre Sprache und Kultur zu begeistern.

In der ersten Phase des Projekts arbeitet das Projekt mit Pontosgriechisch, einer Varietät des Griechischen aus dem Gebiet der heutigen Türkei, sowie Kannada und Telugu, zwei dravidischen Sprachen aus Südindien. Ein Glücksfall für das Projekt ist die Zusammenarbeit mit dem “Kulturverein der Griechen aus Pontos zu Düsseldorf und Umgebung O XENITEAS e.V.”.

Studentische Forschung

Das Rückgrat des Projekts bildet ein Seminar für Studierende der Linguistik an der HHU, das Niklas Wiskandt, M.A., und Dr. Ana Krajinović im Sommersemester von April bis Juli 2022 unterrichten. Dort haben die Studierenden in den ersten Wochen zunächst Methoden und Handwerkszeug der linguistischen Feldforschung erlernt. Anschließend erleben sie hautnah, was es heißt, als Linguist*in mit Sprecher*innen zu agieren und spannende Sprachen zu erforschen.

Sie erheben Daten einer ihnen bisher unbekannten Sprache, indem Sie mit Muttersprachler*innen sprechen, die hier in Düsseldorf leben. Dabei probieren sie verschiedene Methoden aus, die auch in professioneller linguistischer Feldforschung zum Einsatz kommen: Neben einfachen Übersetzungsfragen werden speziellere Beispiele anhand vorbereiteter Fragebögen elizitiert. Zudem sind Videos und Bildergeschichten, die die Teilnehmer*innen in ihrer Muttersprache beschreiben, eine gute Option, möglichst natürliche Daten zu einer linguistischen Forschungsfrage zu sammeln.

Im Seminar werten die Studierenden die Daten mit der Unterstützung des Projektteams aus. Abschließend stellen die Gruppen ihre Forschungsergebnisse auf einem wissenschaftlichen Poster dar und präsentieren ihre Forschung im Rahmen der öffentlichen Abschlussveranstaltung am 12. Juli 2022 von 19 bis 22 Uhr im Haus der Universität (Schadowplatz 14, 40212 Düsseldorf). Die Teilnehmer*innen aus verschiedenen Sprachgemeinschaften Düsseldorfs werden dort von ihren Erfahrungen berichten. Einige musikalische Beiträge lockern das Programm auf.

 


Fünf Fragen - Fünf Antworten

Im Gespräch: Niklas Wiskandt, Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung für Allgemeine Sprachwissenschaft, Koordinator des Projekts und Lehrender des Projektseminars und Isabella Greisinger, Wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Abteilung für Allgemeine Sprachwissenschaft, Mitglied des Projektteams, Verantwortliche für die Zusammenarbeit mit O XENITEAS”

Niklas Wiskandt: Was machen Linguist*innen eigentlich den ganzen Tag? Diese Frage hören wir — und besonders unsere Studierenden — sehr häufig. In diesem Projekt zeigen wir unseren Studierenden und unserer Stadt Düsseldorf sehr anschaulich, wofür die Arbeit von Linguist*innen wichtig ist, und wie spannend und vielfältig sie sein kann. Für unser Vorhaben ist Düsseldorf der perfekte Ort, was mich als Düsseldorfer sehr freut. Und wir tun nicht nur etwas für uns selber, sondern auch für Menschen in Düsseldorf, die eine Bühne verdient haben.

Dr. Isabella Greisinger: Die Zusammenarbeit mit den Sprecher*innen des Pontischen in Düsseldorf ist eine sehr gute Gelegenheit, die Linguistik dort einzusetzen, wo sie nicht nur Sprachen, sondern auch ihren Sprecher*innen etwas Gutes tun und somit einen sichtbaren Beitrag für unsere Gesellschaft leisten kann. Wer eine bedrohte Sprache retten will, muss sich auch der mit dieser Sprache verbundenen Kultur widmen, und vice versa. Es ist mir ein fachliches und persönliches Anliegen, hier als Linguistin einen nachhaltigen Beitrag zu leisten, der für alle beteiligten Seiten und vor allem für das Pontische Griechisch gewinnbringend ist.

Niklas Wiskandt: Mir liegt der Aspekt des forschenden Lernens am Herzen: Studierende erlernen wichtige linguistische Methodik, während sie gleichzeitig echte wissenschaftliche Erkenntnis schaffen. Unsere Studierenden sind die Linguist*innen der Zukunft. In unserem Projekt können sie die Linguistik von vornherein als das erleben, was sie ist: Eine hochaktuelle, gesellschaftlich relevante Wissenschaft, die einem viele Fertigkeiten vermitteln kann.

Niklas Wiskandt: Und wie! Unsere studentischen Forschungsgruppen haben Dinge über Tempusformen im Pontosgriechischen, Befehlsausdrücke im Kannada und Modalität im Telugu herausgefunden, die so bisher nicht bekannt waren, und das auf der Grundlage von Daten, die sie selbst erhoben haben. Das ist Wissenschaft!

Niklas Wiskandt: Auf jeden Fall! Wir erarbeiten aktuell einen Folgeantrag, um das Projekt in den nächsten beiden Semestern fortführen zu können. Dabei möchten wir gern weitere spannende Sprachen einbeziehen, und mit öffentlichen Veranstaltungen noch mehr Düsseldorfer Bürger*innen erreichen.

Das Projektteam

Niklas Wiskandt M.A., Dr. Ana Krajinović, Dr. Isabella Greisinger, Benni Butz M.A., Juliana Neves-Müller M.A., Dr. Jasmin Pfeifer


  • Weitere spannende Forschungstätigkeiten der Philosophischen Fakultät finden Sie hier.
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