Studierendentagung „Hörbuch-Hype heute: Ästhetiken, Funktionen und Popularität eines etablierten Mediums“ am Institut für Germanistik
Das Internet und damit maßgeblich das Smartphone haben die Art der Rezeption von Hörbüchern verändert: Das Hörbuch bewegt sich mit seinen Nutzer*innen wie das Mobiltelefon in der Tasche durch den Alltag – das Hören wird damit zu einer Begleit-Beschäftigung. Der mittlerweile breit aufgestellte und spezifische Hörbuchmarkt bringt eigene Communities hervor, besetzt selbständige Formate sowie Themen und schließt Lücken in der Rezeptionskapazität der Medienkonsument*innen. Denn Hören boomt: 177 Minuten täglich verbrachten die Deutschen 2021 mit Hörinhalten, 19% der Hörer*innen ab 14 Jahre hören dabei gelegentlich bis häufig Hörbücher. Das Hörbuch ist vom Status eines „Buchmarkt-Anhängsels“ in die Nähe von Podcasts und weiteren, zunehmend populären und nicht-linearen auditiven Medien gerückt und hat längst ästhetische und funktionale Eigenheiten ausgebaut. Dieser Ästhetik sowie den Nutzungspotentialen und Anwendungsfeldern von Hörbüchern als Teil der allgemeinen Literaturrezeption spürte die Studierendentagung am Institut für Germanistik im Sommersemester 2022 nach. Dabei zog der Hörbuch-Boom ein breites Publikum zu einer Keynote und fünf studentischen Vorträgen ins Haus der Universität und vor die heimischen Rechner.
Die Studierenden der beiden Veranstaltungen „Das Hörbuch. Geschichte – Medialität – Praxis“ (Seminar von Dr. Ann-Marie Riesner) sowie „Audiadiction” (Hörbuchzirkel von Sabrina Huber M.A.) am Institut für Germanistik erarbeiteten über das Wintersemester 2021/22 hinweg die Eigenarten und das Forschungsfeld zum Medium Hörbuch. Der Erfolg der letzten Studierendentagung zum Thema Fanfiction, die spezifischen Lehrkonzepte der beiden Lehrenden zum Hörbuch und vor allem auch das hohe Interesse der Studierenden, bestärkte die Motivation einer erneuten Tagung. Nicht zuletzt wird dadurch vielversprechender wissenschaftlicher Nachwuchs früh erkannt und gefördert und die Studierenden erleben die Forschungs- und Wissenschaftspraxis als mögliche zukünftige berufliche Aufgabenbereiche.
Zehnköpfiges Organisationsteam: Planung, Durchführung, Teamarbeit
Die beiden Wissenschaftlerinnen Riesner und Huber forderten ihre Studierenden dieses Semester ganz besonders heraus, indem die Studierenden das Event mitgestalteten und umfänglich in Eigenverantwortung organisierten. Insofern erwarben die Studierenden dabei auch wichtige Erfahrungen im Bereich von Event- und Projektmanagement zukünftiger Berufsfelder.
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Die Tagungsorganisation bot die Möglichkeit, die Teamfähigkeit mit den anderen Kommiliton*innen in einem anderen Rahmen auszuüben, als es üblicherweise in Seminaren o.ä. der Fall ist. Außerdem ist es eine überaus gute Möglichkeit, sich auf mögliche Event-Organisationen vorzubereiten und in alle Felder der Organisation zu schnuppern, wie der Erstellung von Werbemitteln, den Kontakt zu Referierenden aufzubauen, den Tagungstag selber zu gestalten etc. Dass diese Möglichkeit Studierenden angeboten wird, geht meiner Meinung nach über das bekannte Studienfeld hinaus und sollte so weiter angeboten werden, um Studierenden nicht nur einen theoretischen Einblick in mögliche Berufsfelder zu geben.
- Lisa Kanthack, Team Tagungsorganisation -
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Die für die Planung zuständigen Studierenden wurden mit der konkreten Themenfindung betraut und in drei Arbeitsgruppen eingeteilt: wissenschaftliches Board, ein Team für Marketing und Werbung sowie eine Gruppe, die die konkrete Realisation vor Ort verantwortete. Während die einen also den Call for papers entwarfen, Werbetexte formulierten und am Ende die Vorträge zu einem Programm anordneten, war die Arbeitsgruppe Marketing und Werbung besonders in ihrer Kreativität bei dem Entwerfen von Postern, Flyern und Social Media-Beiträgen gefragt.
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Für mich war an der Organisation vor allem spannend, mit vielen verschiedenen Student*innen und einigen Expert*innen zum Thema zusammenzutreffen und sich auszutauschen. Gerade in Corona-Zeiten ist dieser Austausch zu kurz gekommen, sodass es mir wichtig war, die Basis dafür mitzugestalten. Diese Plattform sollte gerne öfter geboten werden, denn als Student*in hat man selten die Möglichkeit, sich so auf Fachebene auszutauschen und sich zu beteiligen.
- Christiane Eva Maria Fischer, Team Tagungsorganisation -
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Die dritte Arbeitsgruppe kümmerte sich um den Tagungsort im Haus der Universität, die Corona-Auflagen sowie um das Anmeldeverfahren für die Besucher*innen, das Catering und die Technik. „Wir waren”, resümieren Riesner und Huber, „von den Ideen und dem Einsatz der Studierenden, aber auch von deren beispielloser Zusammenarbeit vollkommen begeistert.” Das studentische Team befürwortete auch das Festhalten an einem hybriden Format, sodass die interessierte Öffentlichkeit und Studierendenschaft sich online zuschalten konnten. Dadurch gewann die Tagung teilweise bis zu 45 Teilnehmende.
Thematischer Einstieg: Was ist ein Hörbuch?
Das Thema Hörbuch bietet ein weites und omnipräsentes Feld: es betrifft die Rezeption fiktionalen und faktualen Inhalts gleichermaßen, zudem changieren die Texte zwischen Funktionen der Sinnästhetik, der Unterhaltung, der Information bis hin zu wissenschaftlicher Aufarbeitung tagespolitischer Themen. Es bildet die ganze Breite an Inhalten, die wir unter einem weiten Literaturbegriff verstehen können. Literaturwissenschaftler*innen können die unterschiedlichen Felder der „akustischen Literatur“ vor Herausforderungen stellen: Audio-Sprachkurse, Hörbücher, Hörspiele, Podcasts, gar lineare Radiosendungen oder live vorgetragene Gedichte stellen nur einige der vielen Ausformungen dar. Arbeitet man jedoch mit dem Einzelgenre, dem engeren Begriff „Hörbuch“, nähert man sich einer sinnvollen und nutzbaren Begrifflichkeit an, die das Feld in einem Tagungstag bewältigbar und betretbar werden lässt.
Ästhetiken, Funktionen und Popularität von Hörbüchern
Die studentische Tagung stellte neben definitorischen Überlegungen vor allem drei Aspekte in ihr Zentrum: Ästhetiken, Funktionen und Popularität dieses Mediums Hörbuch.
Den Auftakt der Tagung machte Luisa Drews von der Humboldt-Universität zu Berlin, die als Expertin den gesamten Tagungstag begleitete. Mit ihrem Vortrag „Literatur zum Hören. Gattungen – Konzepte – Medien“ gab sie grundlegende Einblicke in Definitionsfragen und Herangehensweisen an die schwer fassbare Gattung der „Literatur zum Hören“. Indem sie nachzeichnete, wie sich die Forschung in den letzten Jahrzehnten mit Hör-Gattungen auseinandergesetzt hat, wurde das diskursive Feld des Tagungsgegenstand zunehmend sichtbar.
Der Student der Germanistik und Philosophie Robin Schöfferle lieferte mit seinem Vortrag einen Einblick in „Die dritte Stimme – Bedeutung der Sprecherin bzw. des Sprechers“ und näherte sich mit zahlreichen Beispielen der Frage an, wie die Dimension der Sprechenden eine neue Ebene der Bedeutungskonstitution zu den Instanzen Autor*in, Erzähler*in und Leser*in hinzufügt.
Ein Hörbuch ist ein abgeschlossener, akustisch rezipierbarer Text, der in der Regel auf einer Textvorlage basiert, tendenziell den Fokus auf das gesprochene Wort (vs. Musik und Sounds) legt, und oft durch die Stimme einer bzw. eines zentralen Sprechenden organisiert wird. Das Hörbuch zeichnet sich dadurch aus, dass es sich um eine abgeschlossene und intentional erwerbbare Einheit handelt und es sich auf einem wie auch immer gearteten Speichermedium befindet – es kann also, im Gegensatz zur (antiken) Aufführung von Literatur, gezielt und zeitversetzt wiederholt, angehalten, fortgesetzt rezipiert werden. Damit werden Hörende zu Hoheiten über die Erzählzeit.
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Das Hörbuch (als recht neues Forschungsfeld) ist ein attraktiver Forschungsgegenstand, weil es mir eine Freiheit ermöglichte, die ich als Student bisher noch nie hatte, wenn es um die Anfertigung einer wissenschaftlichen Arbeit ging. Statt nur zusammenzufassen und in neue Form zu bringen, was schon Viele vor mir erforschten, ermöglichte mir das Thema Hörbuch, zumindest das Gefühl zu haben, neue Erkenntnisse zu formulieren und dank der Tagung auch zu verbreiten. Für diese – für mich einmalige – Chance bin ich sehr dankbar und möchte es jedem Studierenden empfehlen, der die Möglichkeit dazu hat.
- Robin Schöfferle, Team Marketing und studentischer Vortragender -
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Zwei weitere Beiträge widmeten sich historischen Hörbeispielen. Fabian Korner studiert mittlerweile einen Masterstudiengang der Ästhetik an der Goethe Universität Frankfurt und stellte mit seinem Vortrag „Was sich geHört. Die Ermittlung von Peter Weiss als Beispiel deutscher Hör-Kultur“ ein spannendes und ästhetisch anspruchsvolles Hörprojekt mit dem Konnex Literatur, Politik und Medienästhetik vor. Korner untersuchte die Radio-Fassungen der BRD und DDR und zeigte mit semiotischem und rezeptionsästhetischem Blick wie vor allem die akustischen Änderungen in der DDR-Fassung zu Bedeutungsveränderungen werden können und so auch die Erinnerungspolitik beider Staaten beeinflussen.
Eine weitere fachfremde Perspektive brachte Leonie Eva Konietzko ein. Die Studentin der Geschichtswissenschaften und Kunstgeschichte hielt den Vortrag „Auditive Propaganda im Dritten Reich – Darstellung, Inhalt und Ästhetik der Kriminalhörbücher des NS-Rundfunks”, mit dem sie den Blick für die historischen Konstellationen des Einsatzes des Radios in der Weimarer Republik und während des Nationalsozialismus nachzeichnete. Ihr spezifisches Interesse galt dem Kriminalroman und seinem propagandistischen Einsatz. Anhand von Rundfunkarchivbeispielen zeigte sie auf, wie durch das Hören Feindbilder aufgenommen und verstetigt wurden und das Medium als Verstärker für die Verbreitung der Ideologie eingesetzt wurde.
Timo Bloch, Student der Germanistik und Linguistik, beschäftigte sich anschließend mit dem funktionalen Anwendungsbereich des Hörbuchs – der Hörzeitung. Block blickte auf die Entstehungsgeschichte des Hörbuchs als Ersatzmedium für sehbehinderte Menschen und fragte kritisch, welche medialen Anlaufstellen Menschen mit Sehbeeinträchtigungen noch zugänglich sind.
Den Tagungsabschluss bildete Angela Klitsch mit „Die Mobilität trägt das Potenzial!“. In ihrer Untersuchung zeigte die Germanistik-Studentin, welche Bedeutung Stimme, Akustik und vor allem Sounds im Computerspiel haben und verband ihre Beobachtungen mit der Frage, wie sich derartige akustische Effekte gerade bei der Integration portabler Medien konzentrieren. In ihrer raumsemantischen Analyse konzentrierte sie sich auf das Tonband- und das Diktiergerät in ihrer Tragbarkeit innerhalb des Computerspiels BioShock. Klitsch präsentierte die Funktion und Bedeutung von Grenzüberschreitungen, das anhand dieser Medien vollzogen und mit Ton und Akustik begleitet wird.
Danksagung
Ann-Marie Riesner und Sabrina Hubers Dank gilt insbesondere dem studentischen Team, ohne diese Tagung so nicht zustande gekommen wäre:
- Für die wissenschaftliche Recherche und den sehr gelungenen Ankündigungstext zuständig waren Katharina Swist, Silke Hill und Angela Klitsch.
- Das wohl organisiertes Marketing haben Tabea Muriel von Deyk, Marvin Hoffmann, Robin Schöfferle auf den Weg gebracht.
- Für die Tagungsorganisation, vor allem Raum, Technik, Catering und Kommunikation mit den Vortragenden waren Christiane Fischer, Svetlana Stockmar, Lisa Kanthack, Fynn Plötzer mit vollem Einsatz erfolgreich verantwortlich.
Ein ebensolcher Dank gilt auch den Lehrstühlen Prof. Dr. Nebrig und Prof. Dr. Herwig, die beide die Tagung finanziell ermöglicht haben.
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Die Wissenschaftskommunikation der Philiosophischen Fakultät
Autorin: Andrea Rosicki