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schwarz weiße Porträts von Menschen nebeneinander gereiht

Gendering Fascism – Faschismus und Geschlecht

Ein DFG-Projekt aus dem Institut für Modernes Japan

Das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderte Projekt Gendering Fascism wurde von Prof. Dr. Andrea Germer in Zusammenarbeit mit ihrer Doktorandin Jasmin Rückert (MA) am Institut Modernes Japan der HHU durchgeführt. Dabei wurde in erster Linie die japanische Propaganda im Zweiten Weltkrieg unter geschlechtertheoretischen sowie bildsprachlichen Aspekten analysiert. Die Beschäftigung mit Geschlecht und Faschismus in Japan lieferte jedoch auch die Grundlage für eine breitere Auseinandersetzung mit verschiedenen nationalen und transnationalen Faschismen, auf die sich das Projekt im Durchführungszeitraum von 2019 bis 2022 erweiterte. So wurde in zwei internationalen Workshops der Frage nachgegangen, wie an unterschiedlichen Orten und in verschiedenen faschistischen Bewegungen und Regimen „Geschlecht“ verstanden, verhandelt, und – zum Beispiel in Werbung und Propaganda – genutzt wurde.

Gendering Fascism – was heißt das eigentlich?

In der Forschung zum historischen Faschismus wurden bereits einige Studien veröffentlicht, die sich mit der Rolle von Frauen oder mit den Vorstellungen von Weiblichkeit und Männlichkeit in einzelnen faschistischen Systemen beschäftigen. Dennoch gibt es bislang keine umfassende Untersuchung zur Bedeutung von Geschlecht in verschiedenen faschistischen Systemen, Bewegungen und Ideologien. Diese Lücke wirkt sich auch auf die Forschung zu Faschismus in Japan aus. Das Projekt Gendering Fascism hatte das Ziel, den Forschungsstand zu Geschlecht und Faschismus durch eine Aktualisierung des theoretischen Rahmens, unter dem bisher Geschlecht thematisiert wurde, zu erweitern. Auch die weitverbreitete Annahme, dass Geschlechterrollen in faschistischen Narrativen grundsätzlich antimodern sind, sollte auf den Prüfstand gestellt werden.

Vernetzung unter schwierigen Bedingungen

In einem Einzelprojekt ist es selbstverständlich nicht möglich, das komplexe und vielschichtige Thema "Faschismus und Geschlecht" vollständig zu erfassen.  Über den Projektzeitraum 2019 bis 2022 kam es außerdem zu Verzögerungen, etwa durch Reisebeschränkungen nach Japan und die Unmöglichkeit, Workshops vor Ort abzuhalten. Den Ausgangspunkt des DFG-Projektes hatte die Frage nach den Strategien der Nutzung von „Geschlecht“ in der Bildsprache und Organisation faschistischer Propaganda in Japan gebildet. Dazu wurden von den Projektverantwortlichen verschiedene illustrierte Magazine und weiteren (Bild-)Quellen aus Japan und aus der besetzten Mandschurei analysiert, die mit einigen Verzögerungen nach und nach zusammengetragen werden konnten.

Um darüber hinaus verschiedene Formen und Konzeptualisierungen von Geschlecht als Analysekategorie in Kommunikation miteinander zu bringen, wurden weitere Forschende kontaktiert, vonen denen einige sich auch mit bislang wenig beachteten Regionen faschistischer Aktivität beschäftigten. Dies ermöglichte die Weiterentwicklung des Projekts in zwei online abgehaltenen Workshops, Gendering Fascism: Imaginaries, Media, Technologies (29/30.07.2021) und Gendering Fascism: Organisations, Bodies, Representations (11/12.11.2021) mit insgesamt 10 Panels und 27 Vorträgen zu 11 verschiedenen Länderstudien. Am stärksten vertreten waren hierbei die Länder Japan, Spanien, China und Italien, hinzu kamen die USA, Polen, Ungarn, Rumänien, Griechenland, Österreich und Deutschland.

Fragen und Ergebnisse des Projekts

Widersprüche und scheinbare Paradoxien, die sich an der Schnittstelle von Geschlecht und Faschismus ergeben, waren durchgängige Themen in den Workshops. Wie kommt es beispielsweise, dass faschistische Ideologien teilweise als traditionell geltende Geschlechterrollen propagierten, während gleichzeitig in faschistischen Medien auch neue Weiblichkeitsbilder präsentiert wurden und aktive oder sogar gewaltbereite Frauen in (pro-)faschistischen Organisationen engagiert waren? Wie unterscheiden oder gleichen sich hier die Ausdrucksformen der unterschiedlichen Regionen?

Für das untersuchte japanische Material konnte gezeigt werden, wie ‚Geschlecht‘ dazu verwendet wurde, politische Ansprüche in Bezug auf kulturelle, "rassische" oder militärische Stärke und Einheit zu maskulinisieren und damit zu naturalisieren. Geschlecht wurde auch eingesetzt um Machtverhältnisse zwischen feminisierten ethnischen "Anderen" und einem als männlich kodierten Japan zu kennzeichnen und damit internationale Hegemonieansprüche mit einer naturalisierenden Logik zu untermauern. Dabei wurde die Kaiserverehrung weniger durch bildliche Darstellungen des Kaisers ausgedrückt, als vielmehr mit einer großen Bandbreite an Themen wie Sozialhygiene, wissenschaftlicher Rassismus und kulturelle Eigenheiten verknüpft, die mit geschlechtlichen Bildern unterlegt waren.

Es wurde ersichtlich, dass der historische Faschismus in seiner politischen Propaganda sowohl auf scheinbar traditionelle Geschlechterkonzepte zurückgriff, als auch moderne, zweckorientierte Aspekte von Geschlecht propagierte. Stets waren diese jedoch unter das totalitäre Ziel der Rechtfertigung faschistischer Herrschaft gestellt.

Transnationale Perspektiven und Ausblick

Indem der Blick zunächst nicht auf die ‚typischen‘ Repräsentanten faschistischer Systeme, sondern auf die globale Verbreitung ähnlicher ideologischer Ansätze, Denkweisen und Herrschaftsformen gerichtet wurde, konnte das Forschungsprojekt dazu beitragen, eurozentrische Faschismus-Definitionen zu überwinden. Die transnationale Perspektive der Workshops zeigte Unterschiede, aber auch Parallelen und geschlechterpolitische Ähnlichkeiten verschiedener Faschismen auf ideologischer, propagandistischer und organisatorischer Ebene auf. So wurden beispielsweise gesetzliche Einschränkungen für Frauen diskutiert und andererseits aufgezeigt, wie in faschistischen Kontexten neue politische Möglichkeiten für Frauen entstanden. Insbesondere wurde die Frage untersucht, wie Frauenorganisationen oder individuelle Frauen bewertet wurden, wenn sie innerhalb faschistischer Organisationen Karriere machten und die Bewegungen oder Regime durch Aktivitäten in den Bereichen Kunst oder Medizin unterstützten. Außerdem wiesen viele Beiträge in den Workshops auf bislang wenig erforschte transnationale Beziehungen hin, sowohl zwischen Frauenorganisationen der Achsenmächte Deutschland, Italien und Japan, als auch auf individueller Ebene, zwischen Propagandistinnen in den USA und den faschistischen Regimen in Europa. Auch die internationalen Forschenden im Projekt legten einen starken Fokus auf die Betrachtung der kulturellen Mittel und verschiedenen Medienformate, die von faschistischen Bewegungen oder Regimen verwendet wurden.

Auf Basis des Projekts ist eine Dissertation zu Fotografie, Geschlecht und Propaganda in der von Japan beherrschten Mandschurei im Entstehen. Des Weiteren ist aus überarbeiteten Beiträgen der Workshops ein Sammelband entstanden, der beim Verlag Brill angenommen wurde und 2024 erscheinen soll. Das Ergebnis des Versuches, empirisch und theoretisch nachzuvollziehen, in welcher Weise „Geschlecht“ zu einer bedeutungstragenden Grundlage für den japanischen Faschismus im Besonderen, und für Faschismen im Allgemeinen wurde, kann dort nachgelesen werden.

Autorinnen: Prof. Dr. Andrea Germer und Jasmin Rückert M.A.


Bildquellen:

Abb. 1: Die junge Dame, 23. Februar 1943 (11.4), 1. Photos: SS-PK van Immerseel, Else Nied. Berlin: Verlagsgesellschaft mbH

Abb. 2: Takeuchi, Shigeyo. 1933. Goaisatsu ni kaete (Nihon fujin taishitsu kenkyū no ittan) [In lieu of greetings (A study of the physical constitution of Japanese women)]. Tokyo: Ide Iin 


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